Aktuelles

Mobilisierung(smöglichkeiten) zu lokaler politischer Online-Partizipation

In diesem Beitrag in der Zeitschrift für Politikwissenschaft gehen Bastian Rottinghaus und Tobias Escher der Frage nach, wer sich an digitalen Beteiligungsformaten zu lokaler mobilitätsbezogener Planung (nicht) beteiligt und inwieweit personalisierte Einladung zu einer Mobilisierung einer größeren und diverseren Gruppe von Teilnehmenden beitragen kann.

Zusammenfassung

Die sich immer wieder bestätigenden Erkenntnisse über ungleiche politische Beteiligung haben verschiedene demokratische Innovationen motiviert, darunter auch solche, die die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien für politische Online-Beteiligung nutzen. Während die bisherige Forschung nur ein begrenztes Mobilisierungspotenzial digitaler Medien festgestellt hat, fehlt uns noch immer ein gutes Verständnis der Mechanismen, die Bürger*innen dazu bringen, sich für oder gegen eine Online-Beteiligung zu entscheiden. Daher untersuchen wir, wer an den Möglichkeiten zur politischen Online-Beteiligung teilnimmt, was das (Nicht-)Engagement erklärt und wie effektiv personalisierte Einladungen darin sind, die Beteiligung zu erhöhen und zu diversifizieren. Um diese Fragen zu beantworten, haben wir eine vergleichende Studie zu drei fast identischen Verfahren lokaler Online-Beteiligung durchgeführt und uns dabei auf Daten aus Umfragen unter registrierten Nutzer*innen und Stichproben der lokalen Bevölkerung gestützt.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Engagement in der Online-Beteiligung tatsächlich signifikant von der Bevölkerung in Richtung ressourcenstarker Personen verzerrt wird, die sich auch in ihrer Bewertung des Beteiligungsprozesses und seiner Ergebnisse unterscheiden. Dies gilt trotz der Tatsache, dass das Wissen über diese Beteiligungsmöglichkeiten in allen sozialen Gruppen gleich verteilt ist. Während die Ablehnung digitaler Beteiligung für einige ein Hindernis darstellt, sind Misstrauen in den Beteiligungsprozess und mangelndes Interesse stärkere Gründe, sich nicht zu beteiligen. Anhand eines randomisiert-kontrollierten Feldexperiments können wir bestätigen, dass personalisierte Einladungen ein wirksames Mobilisierungsinstrument sind, das die Beteiligung um das Vier- bis Siebenfache erhöht und in begrenztem Umfang auch unterrepräsentierte Gruppen zur Teilnahme bewegen kann. Diese Ergebnisse haben eine Reihe wichtiger Implikationen für Forscher und Praktiker, die die Gleichheit in der politischen Beteiligung erhöhen wollen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Insgesamt wurden im Jahr 2017 weitgehend identische Online-Partizipationsverfahren in drei Städten in Nordrhein-Westfalen durchgeführt und untersucht. In Bonn, Köln-Ehrenfeld und Moers war die Bevölkerung aufgerufen, auf einer Online-Plattform Vorschläge zu Verbesserungsmöglichkeiten im Radverkehr abzugeben.
  • Zunächst ergeben sich die üblichen Partizipationsmuster mit einer überdurchschnittlich hohen Beteiligung von Männern mit hoher Bildung und mittleren Alters. Ein wesentliches Motiv zur Beteiligung war die Unzufriedenheit mit der Radinfrastruktur.
  • Mangelndes Wissen über den Beteiligungsprozess ist der Hauptgrund, sich nicht zu beteiligen. Dabei zeigt sich, dass alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen über den Prozess informiert waren, sich am Ende aber ressourcenstarke Gruppen deutlich häufiger für die Teilnahme entscheiden. Weiterhin bestehen zum Teil spezifische Vorbehalte gegenüber dem Online-Format, die ein Beteiligungshindernis darstellen.
  • Im Rahmen eines kontrollierten Feldexperiments wurden an eine zufällige Auswahl von Bürger*innen personalisierte Briefe mit einer Einladung zum Partizipationsverfahren verschickt. Es zeigt sich, dass dadurch die Beteiligung um das vier- bis siebenfache erhöht werden konnte.
  • Durch diese Einladung werden auch zusätzliche Gruppen mobilisiert, die ansonsten im Konsultationsverfahren unterrepräsentiert sind. Das betrifft z.B. Frauen und Personen mit geringerer formaler Bildung. Diese weisen zudem etwas andere Einstellungen auf als „die üblichen Verdächtigen“, indem sie etwas weniger kritisch mit der bestehenden Verkehrsinfrastruktur sind, dafür aber den Beteiligungsergebnissen weniger positiv gegenüberstehen .
  • Insgesamt zeigt sich damit, dass persönliche Einladungen ein wichtiges Mittel sind, um eine größere und diverse Gruppe von Bürger*innen zur Beteiligung an Konsultationsverfahren zu mobilisieren, die aber die grundsätzliche Unterrepräsentation von Menschen mit geringeren Ressourcen und politischem Interesse nicht beseitigen kann.

Publikation

Rottinghaus, B., & Escher, T. (2020). Mechanisms for inclusion and exclusion through digital political participation: Evidence from a comparative study of online consultations in three German cities. Zeitschrift für Politikwissenschaft, 30(2), 261–298. https://doi.org/10.1007/s41358-020-00222-7

Studentische Unterstützung gesucht!

Für unser Team am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Studentische Hilfskraft/ Wissenschaftliche Hilfskraft mit Bachelorabschluss. Konkrete Aufgaben sind vor allem die Recherche und Kodierung von durchgeführten Beteiligungsverfahren sowie die Kodierung von Beiträgen aus Bürgerbeteiligungsverfahren.

Interessiert? Wir freuen uns auf Bewerbungen bis zum 9. Juni! Weitere Infos siehe:

Auftaktkonferenz der SÖF-Nachwuchsgruppen in Bonn

Am 9. & 10. März 2020 fand in Bonn die kombinierte Auftakt- und Statuskonferenz aller Nachwuchsgruppen statt, die im Rahmen des BMBF Programms Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) in der Sozial-ökologischen Forschung gefördert werden. Insgesamt werden aktuell fast 20 Nachwuchsgruppen gefördert, die sich im Rahmen der zweitägigen Konferenz vorstellten.

Als Teil der jüngsten Förderrunde aus dem Jahr 2019 haben wir uns den anderen Gruppen mit einem Kurzvortrag und einem Poster vorgestellt.

Eine Übersicht über alle aktuell geförderten Nachwuchsgruppen findet sich auf der Seite des BMBF.

Urban Change Maker Group – Workshop in Berlin

Der Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen im Bereich nachhaltige Mobilität ist sehr wichtig für uns – er hilft uns dabei, Partizipation aus anderen Perspektiven zu betrachten und inspiriert uns, und oft tun sich Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auf. Deswegen sind wir Teil der Urban Change Maker Group, eine interdisziplinären Gruppe aus PhD und Post-Doc Wissenschafter*innen aus verschiedenen Teilen der Welt, die zu Themen nachhaltiger Stadtentwicklung forschen. Dabei soll die Forschung zu einer nachhaltigen Transformation in der Praxis beitragen, hauptsächlich mit Fokus auf Governance, Akteurskonstellationen und soziale Gerechtigkeit.

Die Forschungsgruppe ist angegliedert an das Wuppertal Institut und die Technische Universität Berlin, sowie verschiedene andere Forschungseinrichtungen und Universitäten.

Am 6. März trafen wir uns zu einem kreativen Workshop um mögliche Synergien und gemeinsame Forschungsinteressen herauszuarbeiten. Zunächst stellten alle ihre individuellen Forschungsthemen und -interessen vor, woraus sich schon eine Diskussion um mögliche Zusammenarbeiten ergab. Darauf aufbauend wurden erste gemeinsame Veröffentlichungen geplant und Masterarbeitsthemen für Studierende der beteiligten Universitäten gesammelt.

Für unsere Forschungsgruppe könnte es beispielsweise interessant sein, unsere Fallstudien aus Deutschland mit ähnlichen Fällen von Bürger*innenbeteiligung in einer der Partnerstädte zu vergleichen und Ähnlichkeiten und Unterschiede zu untersuchen. Der Austausch soll über die folgenden Jahre fortgeführt werden. Dazu werden regelmäßige Workshops und eine jährliche Summer School für die ganze Gruppe stattfinden; zusätzlich wird es intensiveren Austausch in kleinen Gruppen zu konkreteren gemeinsamen Projekten geben. Der Austausch soll uns dabei helfen, unser Forschungsthema in einem weiteren thematischen und geographischen Kontext zu stellen.

Erstes Beiratstreffen der Nachwuchsforschungsgruppe CIMT in Berlin

Am 28. Februar 2020 veranstaltete die Nachwuchsforschungsgruppe das erste Treffen des Beirats. Das Zusammentreffen der Mitglieder aus Forschung und Praxis fand im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung statt.

Beiratstreffen am WZB Berlin
Beiratstreffen am 28. Februar

Einen zentralen Punkt der Veranstaltung bildete die Vorstellung und das Kennenlernen der Beiratsmitglieder und der Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe. Jun.-Prof. Tobias Escher stellte als Gruppenleiter das interdisziplinäre Forschungsprojekt im Gesamten vor. Laura Mark (Stadtplanung), Katharina Huseljić (Soziologie) und Julia Romberg (Informatik) erörterten anschließend detaillierter die Forschungsvorhaben der einzelnen Disziplinen. In den nachfolgenden Diskussionsrunden ergab sich ein konstruktiver Austausch zu den Anforderungen der Projektteile und des Gesamtprojekts. Zum Abschluss wurde in einer Feedback-Runde gemeinschaftlich beschlossen, den Austausch halbjährlich bis jährlich fortzuführen.

CIMT bedankt sich bei allen Beteiligten für einen gelungenen Tag!

Konferenz Zukunftsstadt 2019

Am 2. und 3. Dezember 2019 fand in Münster die Konferenz Zukunftsstadt 2019 des Bundesministerium für Bildung und Forschung statt. Die Gruppe CIMT stellte sich dort – vertreten durch Laura Mark und Katharina Huseljić – mit einem Poster vor.

Dabei lag das Ziel unserer Gruppe vor allem in der Vernetzung mit Wissenschaft und Praxis, die der zukünftigen Kooperation bei der Evaluation von Partizipationsverfahren dienen sollten. Es fand zudem ein starker Austausch mit ehemaligen und und aktuell geförderten Projekten aus der sozial-ökologischen Forschung statt. Dabei stand u.a. das inter- und transdisziplinäre Arbeiten in Nachwuchsforschungsgruppen im Fokus.

Und auch die inhaltliche Orientierung der Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe kam dabei nicht zu kurz. So gab es im Rahmen der Konferenz die Möglichkeit diverse Workshops zu besuchen. Die Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe besuchten in diesem Zuge Veranstaltung zur Arbeit mit Daten auf lokaler Ebene und zur Möglichkeit eines Klimaschutzes „Von Unten“.

Die Praxis einbeziehen – Treffen in Berlin mit FixMyCity und Liquid Democracy

Die Transdisziplinarität als Kooperation mit der Praxis ist ein für unser Projekt enorm relevanter Aspekt. Um Vorstellungen und Anforderungen der Praxis an das Projekt schon früh in die Entwicklung unserer Konzepte und Verfahren einzubeziehen, sind wir am 24. und 25. Oktober nach Berlin gefahren.

Dort angekommen sind wir zunächst einmal zu einem Treffen in den Büroräumen von FixMyCity gefahren, wo uns Boris Hekele erwartete. Nach einem kurzen Rundgang durch die Work Spaces im ehemaligen Flughafen Tempelhof, erzählte uns der Gründer von FixMyCity von vergangenen und aktuell laufenden Verfahrung zur Verkehrswende – vornehmlich zur Verbesserung von Fahrradwegen und Radbügelprojekten in verschiedenen Berliner Stadtteilen. Dadurch erlangten wir einen Einblick in aktuell vor allem online laufende Partizipationsverfahren.

Nach einem ausgedehnten Spaziergang über das Tempelhofer Feld und damit der Begutachtung des Impacts eines früheren Partizipationsverfahrens auf die Gestaltung städtischer Flächen kamen wir schließlich bei Liquid Democracy an. Diese diskutierten mit uns vor allem über die Potentiale automatisierter Auswertung in Verfahren und mögliche deliberative Potentiale dieser. Der Austausch war für uns sehr hilfreich zur Identifikation von Bedürfnissen in der Praxis, sowie für die weitere Konzeptualisierung der Dissertationen und die Orientierung dieser an Problemen der Praxis.

Am Freitag stand dann das erste Treffen mit unseren Mentor Dr. Oliver Lah und der Urban Change Maker Group an bei der wir in einem internationalen Umfeld unsere Dissertationsideen diskutierten. Der Fokus lag dabei u.a. erneut auf der automatisierten Auswertung von Beteiligungsbeiträgen, sowie der Repräsentativität von Verfahren im Bereich nachhaltiger Mobilität. Das Feedback war dabei sehr hilfreich für die weitere Gestaltung der Dissertationsprojekte.