Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Annika Busch-Geertsema, Jessica LeBris, Gesa Matthes und Kerstin Stark einen praxistauglichen Ansatz vor, um die Gerechtigkeit von Verkehrswend-Maßnahmen in verschiedenen Dimensionen zu überprüfen. Der Ansatz sowie der Artikel sind im Kontext des Arbeitskreises „Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) entstanden.

Zusammenfassung

Vorgestellt wird ein praxistaugliches Instrument, um einen systematischen „zweiten Blick“ auf Verkehrswende-Maßnahmen mit einer Brille der Gerechtigkeit werfen zu können. Es kann dabei sowohl für die konzeptionelle Unterstützung bei Planung und Umsetzung, zur Reflexion während oder nach des Prozesses sowie für ein fortlaufendes Monitoring genutzt werden.

Anhand von drei Gerechtigkeitsdimensionen kann überprüft werden, welche Bevölkerungsgruppen von der Maßnahmen profitieren. Als Dimensionen dienen dabei Verteilungsgerechtigkeit, Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten und Verfahrensgerechtigkeit, die weiter ausdifferenziert und in einer einfach handhabbaren Matrix miteinander verschnitten wurden.

Um die Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten auszudifferenzieren, wird mit dem Persona-Ansatz gearbeitet. In einer Persona sind bestimmte Eigenschaften kombiniert, die Mobilitätsoptionen und -entscheidungen sowie Aktivitätsketten beeinflussen und einschränken können. Im Artikel wird eine Systematik für die Entwicklung eigener Personas vorgeschlagen, für die Anwendung können aber auch die bereits von den Autorinnen entwickelten Personas genutzt werden.

Im Artikel wird der Ansatz der Gerechtigkeitsdimensionen und der Personas genauer vorgestellt. Er kann hier heruntergeladen werden.

Außerdem kann das Bewertungswerkzeug einschließlich einer Nutzungsanleitung und Vorschlägen für Personas im Excel-Format auf der Seite des AK Mobilität der ARL heruntergeladen werden (nach unten scrollen).

Die Autorinnen freuen sich über Rückmeldung und ermutigen zur freien Verwendung und Weiterentwicklung.

Publikation

Mark, Laura; Busch-Geertsema, Annika; LeBris, Jessica; Matthes, Gesa; Stark, Kerstin (2023): Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen. In: Internationales Verkehrswesen 75 (4), S. 28–31.

Die Konsultation von Bürger*innen bei Mobilitätsprojekten: Die Beteiligungslandschaft auf kommunaler Ebene in Deutschland

In diesem Vortrag auf der 18. Jahrestagung des Arbeitskreises Mobilität und Verkehr (AK MoVe) 2023 stellten Laura Mark, Katharina Holec und Tobias Escher eine Erhebung zu Umfang und Ausgestaltung von Konsultation bei kommunaler Planung mit Mobilitätsbezug vor. Aus den Ergebnissen lassen sich Aussagen über die Beteiligungslandschaft in Deutschland ableiten.

Zusammenfassung

Kommunen als wesentliche Akteure der Verkehrswende nutzen bei der Planung verstärkt konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung. Bislang ist jedoch unklar, in welchem Ausmaß sie Beteiligungsverfahren bei der mobilitätsbezogenen Planung einsetzen und wie diese gestaltet werden. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Verkehrswende ist eine solche Bestandsaufnahme aber höchst relevant, um die praktische Bedeutung von Partizipationsverfahren abzuschätzen und die Rolle verschiedener Verfahrenstypen und -kontexte besser untersuchen zu können.

Die Erhebung schließt diese Lücke auf Basis einer Auswertung der konsultativen, diskursiven Beteiligungsangebote für mobilitätsbezogene Planungen deutscher Städte seit 2015. Untersucht wurden Städte mit Leitlinien für Bürgerbeteiligung, die mit einer Zufallsauswahl aus ‘typischen‘ Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen sowie den drei deutschen Stadtstaaten verglichen wurden.

Auf Basis dieser rund 180 Städte und 350 Verfahren wird deutlich, dass diskursive Konsultationen zwar regelmäßig durchgeführt werden, vor allem in Kommunen mit Leitlinien sowie größeren Städten. Kritisch zu bewerten ist, dass die dabei eingesetzten Formate meist nur bestimmte Gruppen der Bevölkerung erreichen können und dass sich oft keine Angaben zu den Ergebnissen der Beteiligung auffinden lassen. Damit kommen die Potentiale diskursiver Bürger*innenbeteiligung bei der Bewältigung der kommunalen Verkehrswende bislang zu wenig zum Tragen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Beteiligung an kommunalen Planungsverfahren mit Mobilitätsbezug ist keine Ausnahme mehr, aber auch noch nicht die Regel. Basierend auf den Daten unserer Stichprobe kann man davon ausgehen, dass es in den meisten Kommunen in Deutschland im betrachteten Zeitraum keine Möglichkeit gab, sich an solchen Verfahren zu beteiligen.
  • Generell beteiligten Städte mit Leitlinien ihre Bürger*innen häufiger, öfter und mit vielfältigeren Themen und Formaten. Mittel- und Großstädte beteiligten deutlich häufiger als Kleinstädte.
  • Bei den eingesetzten Beteiligungsformaten zeigen sich Schwächen: Der Großteil der Kommunen setzten auf selbst-selektierte Auswahlprozesse. Erste Versuche mit zielgruppenspezifischen Formaten oder vereinzelt auch Zufallsauswahl sind v.a. in den Kommunen mit Leitlinien und in den Stadtstaaten zu finden. Auch wurde ein großer Anteil der Verfahren rein online durchgeführt.
  • Für 5 bis 10% der Verfahren ließ sich kein aktueller Stand auffinden, für einen größeren Teil war unklar, was nach der Konsultation passierte. Dies trifft für alle Kommunen zu, wenn auch weniger stark auf solche mit Leitlinien und lässt sich als Mangel an Transparenz und Wirkung der Beteiligung werten.

Publikation

Mark, Laura; Holec, Katharina; Escher, Tobias (2024): Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten: Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung. DOI: 10.14512/rur.2239.

Meet-the-Team: Laura

In der Serie Meet-the-Team stellen wir jede Woche ein Mitglied der Forschungsgruppe vor, um einen Eindruck jenseits der wissenschaftlichen Arbeit zu vermitteln. Dazu hat uns unserer studentischer Mitarbeiter Philippe Sander ein paar Fragen gestellt.

Heute im Interview: Laura Mark. Sie ist Stadtplanerin und beschäftigt sich mit der inhaltlichen Wirkung von Beteiligung auf politische und planerische Entscheidungen. Mehr Informationen zu Lauras Forschung finden sich hier.

Foto: Tilman Schenk

Was hat dich dazu inspiriert, eine Karriere in deinem Forschungsbereich anzustreben, und wie hast du in deinem Fachbereich begonnen?

Ich habe zunächst Stadt- und Regionalplanung studiert. Daran fand ich spannend, dass das verschiedene Themenbereiche wie Ökologie und soziale wie auch kulturelle Aspekte zusammenbringt. Die Aufgabe besteht dann darin, das alles gleichzeitig zu berücksichtigen. Nach dem Studium habe ich in einem Ingenieurbüro im Bereich Verkehr gearbeitet und gemerkt, dass es mir zu technisch und zahlenfokussiert ist und mir der soziale Aspekt etwas fehlte. So bin ich nun in dieser Schnittstelle zwischen Planungswissenschaft und Sozialwissenschaft gelandet.

Kannst du dein aktuelles Forschungsprojekt beschreiben und was du damit erreichen möchtest? Was findest du daran persönlich am interessantesten?

Ich beschäftige mich aktuell mit der Wirkung von Öffentlichkeitsbeteiligung auf Projekte zur nachhaltigen Mobilität. Was mich daran besonders interessiert ist, dass es ein sehr aktuelles Thema ist. Beteiligung wird im Moment sehr breit diskutiert und obwohl die Forschung dazu noch recht dünn ist, wird die inhaltliche Wirkung auf eine Entscheidung oft als gegeben hingenommen. Einige Akteure haben auch wenig Interesse, da genauer hinzuschauen.

Wie gehst du bei deiner Forschung vor? Welche Methoden, Theorien oder Frameworks verwendest du?

Ich forsche qualitativ und betrachte dabei zwei Fallstudien im Detail. Meine Herangehensweise ist angelehnt an das Process-Tracing. Das ist im Gegensatz zu vielen bisherigen Studien zu dem Thema ein sehr detaillierter Ansatz und nimmt viele verschiedene Einflüsse auf die Wirkung mit in den Fokus. Ich arbeite hauptsächlich mit Interviews und Medienanalysen sowie teilnehmenden Beobachtungen und zum Teil mit Befragungsdaten aus unserem Forschungsprojekt.

Was sind einige der größten Herausforderungen, mit denen du in deiner Arbeit konfrontiert bist, und wie überwindest du sie?

Die größte Herausforderung ist, dass die Planungsprozesse in der Praxis nicht so ablaufen wie in der Theorie. Für mich ist es wichtig, prozessbegleitend zu forschen, da ich vor allem die inhaltliche Wirkung betrachte. Allerdings haben sich die Planungsprozesse teilweise stark verzögert, nicht nur aufgrund von Corona. Die realistische Zeitplanung ist daher definitiv eine Herausforderung. Somit müssen die Zeitpläne immer flexibel an den Projektverlauf und die Situation in den Fallstudien angepasst werden.

Wie bleibst du auf dem neuesten Stand der Trends und Entwicklungen in deinem Fachgebiet?

Ich bin auf Twitter mit anderen Forschenden und Praktiker*innen vernetzt, nehme außerdem an Konferenzen teil und bin Teil eines Arbeitskreises der Akademie für Raumordnung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL), mit Fokus auf Mobilität und soziale Teilhabe. Da mein Fachgebiet nicht nur in die rein wissenschaftliche Richtung geht und in der Praxis auch gerade sehr viel passiert – das Thema Verkehrswende wird aktuell viel diskutiert, bezüglich Klimawandel etc. – informiere ich mich natürlich auch über den akademischen Diskurs hinaus, beispielsweise über Zeitungen oder Podcasts. Auch gibt es oft kostenlose Webinare oder Workshops verschiedener (Praxis-)Organisationen, bei denen man sich weiterbilden kann.

Wie arbeitest du mit anderen Forschenden oder Expert*innen in deinem Bereich zusammen, um deine Projekte zu verbessern?

Der genannte Arbeitskreis ist auf jeden Fall wichtig, da es dort hauptsächlich um Mobilität geht, aber ich auch den Partizipationsaspekt mit einbringen kann. Ich nehme an verschiedenen, teils auch interdisziplinären Kolloquien teil und stelle dort meine Arbeit regelmäßig vor. Es gibt zum Beispiel eines zur sozialökologischen Transformationen mit verschiedenen Themen. Außerdem arbeiten wir auch im Forschungsprojekt eng zusammen und tragen beispielsweise auf Konferenzen vor.

Welchen Einfluss hoffst du, dass deine Forschung auf die Gesellschaft oder das Feld haben wird?

Ich hoffe, dass meine Forschung dazu beiträgt, Beteiligungsprozesse besser verstehen zu können und vielleicht auch für die öffentliche Hand planbarer zu machen. Außerdem hoffe ich, dass die Beschäftigung mit der inhaltlichen Wirkung dazu führt, dass die öffentliche Hand dieses Thema stärker berücksichtigt und letztendlich nicht mehr umhinkommt kommt, die Bevölkerung auch wirklich ernst zu nehmen und transparenter darzustellen, was mit Beteiligungsergebnissen passiert.

Was sind einige aufkommende Trends oder zukünftige Richtungen, die du in deinem Forschungsgebiet siehst?

Der Fokus auf Beteiligung der Zivilgesellschaft wird in Praxis und Forschung immer stärker. Wichtig ist die Frage, wie diese Beteiligung besser gestaltet werden kann und wie mit Konflikten bezüglich dringend notwendiger Veränderungen, beispielsweise im Stadtraum, umgegangen werden kann. Außerdem stellt sich auch weiterhin die Frage, wie bestimmte Gruppen erreicht werden können, die sich traditionell wenig beteiligen. Trends im Bereich Mobilität sind (unter vielen anderen) zum einen technische Aspekte wie z.B. autonomes Fahren. Außerdem geht es viel darum, wie Wissen zur Mobilitätswende nun praktisch umgesetzt werden kann – hier ist gerade die Rolle der Kommunen relevant, die jetzt stärker versuchen, mehr Spielräume zu bekommen, um Tempo-30 auszuweisen oder bestimmte Gebiete autofrei zu machen.

Kannst du uns von interessanten oder bedeutsamen Erfahrungen berichten, die du während deiner Forschung gemacht hast?

Für mich war vor allem die Erfahrung interessant, dass die Praxis komplett anders ist als die Theorie. Was ich dabei auch spannend fand, ist, dass sich die Leute in den Interviews teilweise sehr stark widersprochen haben, da die Wahrnehmungen über das Planungsverfahren sehr unterschiedlich waren. Bei Protokollen, zum Beispiel aus Ausschusssitzungen, sah es dann wieder ganz anders aus; das sind alles Wahrheiten und Sichtweisen, mit deren Hilfe ich mich dann dem Prozess annähern kann.

Welchen Rat hast du für Studierende und angehende Wissenschaftler*innen, die gerade erst in ihre Karriere starten?

Ich denke, man sollte nicht zu viel planen, sondern nach dem gehen, was einen interessiert. Man sollte Vertrauen haben, dass sich alles am Ende zu etwas Stimmigem zusammenfügt.

Schließlich, kannst du uns ein wenig über dich außerhalb deiner Arbeit erzählen? Welche Hobbys oder Interessen verfolgst du in deiner Freizeit, und wie ergänzen sie deine Forschung?

Ich bin sehr gerne draußen, ich gehe gerne Wandern und fahre gerne Fahrrad; ich mache Kampfsport und Yoga in meiner Freizeit. Das ergänzt auf jeden Fall meine Forschung in dem Sinne, dass ich dabei abschalten kann. Es ist etwas ganz anderes, nicht so intellektuell. Manchmal ist das auch etwas stressig, weil ich mir hin und wieder beim Fahrradfahren denke: „wer hat denn das genehmigt, das ist ja viel zu schmal, das entspricht ja gar nicht der Regelbreite, wer macht denn sowas!“.

Verkehrswende durch Partizipation? Policy-Wirkung diskursiver, konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung auf urbane Verkehrswendeprojekte

Doktorarbeit von Laura Mark

In meinem Dissertationsprojekt an der Fakultät für Architektur an der RWTH Aachen untersuche ich anhand zweier Fallstudien die inhaltliche Wirkung konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung auf politische Entscheidungen und die Implikationen für die nachhaltige Entwicklung. Mein Untersuchungsgegenstand sind Planungen zur Verkehrswende, da sie einerseits für die nachhaltige Entwicklung wichtig und dringend sind und andererseits den Alltag der Menschen unmittelbar betreffen und damit oft zu Widerständen führen.

Zusammenfassung

Für eine sozial-ökologischen Verkehrswende sind tiefgreifende Veränderungen im öffentlichen Raum nötig, die sich auf das tägliche Leben der Nutzer*innen auswirken. Diese Umverteilung von Verkehrsflächen und Veränderung von Nutzungsbedingungen erfolgt vor allem durch räumliche Planung von Seiten der öffentlichen Hand, an welcher sich zunehmend auch die Öffentlichkeit beteiligt. Damit (implizit oder explizit) verbunden wird in der Regel, dass die Öffentlichkeit Einfluss auf den Inhalt der Planung nimmt; der tatsächliche Effekt ist jedoch kaum erforscht.

Ich untersuche, durch welche Mechanismen inhaltliche Wirkung von Öffentlichkeitsbeteiligung zustande kommt oder verhindert wird, und welche Faktoren diese Mechanismen beeinflussen. Mich interessiert dabei, unter welchen Bedingungen diese inhaltlichen Wirkungen zur integrierten Verkehrsplanung beitragen, gemessen sowohl an demokratietheoretischen als auch an inhaltlichen Kriterien.

Als Fallstudien dienen zwei kommunale Verkehrswendeprojekte in Hamburg, bei denen sich die Öffentlichkeit durch Konsultationsangebote und jeweils weitere Beteiligungsformen einbringen kann bzw. eingebracht hat: die Umgestaltung der Elbchaussee in Hamburg und die autoarme Gestaltung des Viertels Ottensen in Hamburg. Die Prozesse unterscheiden sich u.a. in Rahmenbedingungen, räumlichem Maßstab, Aufgabenstellung und Beteiligungsangeboten. Für die detaillierte Rekonstruktion und Analyse dieser Prozesse stütze ich mich hauptsächlich auf Daten aus qualitativen Interviews, Dokument- und Medienanalysen, ergänzt durch Ergebnisse der quantitativen Bevölkerungs- und Teilnehmendenbefragungen.

Erwartete Ergebnisse

Erwartete Ergebnisse sind Thesen zu Öffentlichkeitsbeteiligung im Kontext der Verkehrswende. Diese beschäftigen sich mit den Mechanismen und Faktoren, die die Policy-Wirkung beeinflussen und kommen durch eine detaillierte Analyse der einzelnen Fallstudien, einen gezielten Vergleich der beiden Fallstudien untereinander sowie die Einbettung der empirischen Ergebnisse in den Stand der Forschung sowie andere Ergebnisse aus dem Projekt zustande. Diese Thesen sollen beitragen zur Diskussion um die Rolle der Öffentlichkeit im Kontext einer sozial-ökologischen Transformation.

Sozialräumliche Gerechtigkeit durch Öffentlichkeitsbeteiligung?

In dieser Präsentation auf dem Jahreskongress der AESOP (Assosiation of European Schools of Planning) im Jahr 2022 stellten Laura Mark, Katharina Huseljić und Tobias Escher ein Framework für sozialräumliche Verteilungsgerechtigkeit und den möglichen Beitrag von Konsultation vor. Sie untersuchten dann unter Verwendung qualitativer und quantitativer Daten diesen Beitrag für das Fallbeispiel des konsultativen Planungsprozesses an der Elbchaussee in Hamburg.

Zusammenfassung

Unser derzeitiges Verkehrssystem weist erhebliche sozialräumliche Ungerechtigkeiten auf, da es sowohl erhebliche negative Umweltauswirkungen hat als auch bestimmte sozioökonomische Gruppen strukturell benachteiligt. Planungsprozesse beinhalten zunehmend Elemente der Öffentlichkeitsbeteiligung, oft verbunden mit der Hoffnung, unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse besser verstehen und in den Planungsprozess integrieren zu können. Bislang gibt es jedoch kaum Erkenntnisse darüber, ob die Beteiligung der Öffentlichkeit tatsächlich zu mehr sozialräumlicher Gerechtigkeit führt.

Um sich dieser Frage zu nähern, konzentrieren wir uns auf sozialräumliche Gerechtigkeit als Verteilungsgerechtigkeit und untersuchen, inwieweit konsultative Planungsverfahren tatsächlich zu Maßnahmen führen, die sowohl zur Nachhaltigkeit beitragen (d.h. negative externe Effekte reduzieren oder umverteilen) als auch die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen (z.B. Menschen mit geringem Einkommen oder geringer Bildung, Frauen und behinderte Menschen) berücksichtigen. Zu diesem Zweck haben wir das Fallbeispiel des Umbaus der Elbchaussee, einer repräsentativen Hauptverkehrsstraße von gesamtstädtischer Bedeutung im Bezirk Altona in Hamburg, Deutschland, eingehend untersucht. Wir stützen uns dabei sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Daten, darunter Interviews mit Expert*innen und Bürger*innenbefragungen.

Wir zeigen erstens, dass der Prozess zu Planungsmaßnahmen geführt hat, die leicht zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen. Zweitens werden die Maßnahmen voraussichtlich insbesondere durch die Verbesserung der Situation für Fußgänger und Radfahrer sowie der Aufenthaltsqualität zu mehr Gerechtigkeit für einige Gruppen beitragen, was aber nur von nicht-männlichen Gruppen so eingeschätzt wird. Darüber hinaus gibt es keine Auswirkungen für Menschen mit geringem Einkommen, geringer Bildung, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder mit besonderen Mobilitätsbedürfnissen, die häufig für diese Gruppen besonders relevant sind sind. Insgesamt kommen wir zu dem Schluss, dass der konsultative Planungsprozess nur einen geringen Beitrag zur sozialräumlichen Gerechtigkeit leistet, und diskutieren abschließend mögliche Erklärungen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Der konsultative Planungsprozess führte insgesamt zu Maßnahmen, die einen kleinen Beitrag zur sozialräumlichen Gerechtigkeit leisten, da sie den Wandel zu einer nachhaltigeren Mobilität unterstützen und einigen benachteiligten Gruppen zugute kommen, wenn auch beides in begrenztem Maße.
  • Wir stellen fest, dass das Konsultationsverfahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Planung hatte. Was die sozialräumliche Gerechtigkeit betrifft, so lassen sich keine positiven Auswirkungen auf das Konsultationsverfahren zurückführen. Vor allem diejenigen, die an der Konsultation teilgenommen haben, berichten tatsächlich von einer geringeren Zufriedenheit mit den Maßnahmen.
  • Wir führen diese begrenzten Beiträge auf einige allgemeine Merkmale von Konsultation und des derzeitigen Planungssystems zurück, stellen aber auch fest, dass in dem Fallbeispiel der Umfang der möglichen Einflussnahme aufgrund externer Beschränkungen und Machtungleichgewichte sehr begrenzt war.

Publikation

Wir arbeiten momentan an einer Veröffentlichung für eine Fachzeitschrift mit Peer-Review. Diese Veröffentlichung wird hier nach Fertigstellung verlinkt.

Neuer Arbeitskreis Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe in der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft

Wir freuen uns, dass Laura Mark bei dem genannten Arbeitskreis dabei ist und unsere Forschung mit Kolleg*innen diskutieren kann. In dem Arbeitskreis treffen sich Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen regelmäßig, um zu verschiedenen Themen rund um Mobilität und soziale Teilhabe zu arbeiten. Der Arbeitskreis ist Mitte 2021 gestartet und die inhaltliche Arbeit nimmt nun immer mehr Gestalt an: Schnittstellen zu unserer Forschung sind dabei unter anderem die Frage nach der prozeduralen Gerechtigkeit von Planungsverfahren für die Verkehrswende – wer beteiligt sich und wessen Stimmen werden gehört? Wie sollen Planungs- und Beteiligungprozesse für eine nachhaltige Verkehrswende in Zukunft gestaltet sein, um Alle mitzunehmen? An dieser Stelle werden wir von der weiteren Arbeit und Veröffentlichungen und Veranstaltungen berichten, die im Rahmen dieses Abeitskreises entstehen!

freiRaum Ottensen in Hamburg – erstes Beiratstreffen

Im Zuge unserer wissenschaftlichen Begleitung zum Projekt freiRaum Ottensen waren wir bei der Auftaktveranstaltung zum Beirat am 17. August dabei. Dort konnten wir mitverfolgen, wie die Grundlagen für die nächsten Jahre der Arbeit gelegt wurden, der Beirat sich unter anderem eine Geschäftsordnung geben hat und sich die Mitglieder und ihre Vorstellungen für Ottensen und den Planungsprozess kennenlernen konnten.

Das Projekt freiRaum Ottensen knüpft an an „Ottensen macht Platz“, ein Verkehrsversuch im Jahr 2019, bei dem das Viertel zu weiten Teilen für den motorisierten Verkehr gesperrt wurde. Nachdem dieser aus rechtlichen Gründen vorzeitig abgebrochen werden musste, läuft seit Frühjahr 2021 unter dem neuen Namen ein Planungsprozess zur permanenten Umgestaltung des Viertels. Der Beirat begleitet diesen Planungsprozess und ergänzt damit verschiedene Onlline und Offline Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Beirat besteht unter anderem aus Gewerbetreibenden, Vertreter*innen der organisierten Zivilgesellschaft, Bürger*innen verschiedener Altersstufen.

Weitere Infos hier: https://www.hamburg.de/altona/freiraumottensen/

Kurs Mobilität und Nachhaltigkeit: Soziale Aspekte der Verkehrswende

In diesem Semester bieten wir online ein Masterseminar zu Mobilität und Nachhaltigkeit an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf an.

Im Rahmen der Veranstaltung beschäftigen wir uns vorwiegend mit Mobilitätsforschung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Unser besonderes Augenmerk gilt der Frage, was nachhaltige Mobilität ausmacht und welche sozialen Mechanismen im Zusammenhang mit der Verkehrswende wirksam werden. Dazu wird im ersten Teil der Veranstaltung ein grundlegendes Verständnis vermittelt über Struktur, Ursachen und Wirkungen des derzeitigen Mobilitätsverhaltens mit Schwerpunkt auf urbanen Kontexten in Deutschland. Im zweiten Teil der Veranstaltung wenden wir uns der Frage zu, wie Mobilität nachhaltig werden kann und betrachten, welche Potentiale konkrete Maßnahmen (z.B. Bepreisung, Sharing & Pooling, Bürgertickets) für die Verkehrswende haben.

Der Kurs ist wie folgt aufgebaut:

3.11.Einführung
10.11.Mobilität und Verkehr: Kennzahlen des Nutzungsverhaltens
17.11.Auswirkungen von Verkehr
24.11.Theorien zu Einflüssen auf Mobilitätsverhalten
1.12.Mobilität und Sozialstruktur
8.12.Stadtplanung und Mobilität
15.12.Auto-Kultur
22.12.Nachhaltigkeit & Mobilität
29.12. + 5.01.
12.01.Akzeptanz der Verkehrswende
19.01.nachhaltige Mobilität: Urban Design
26.01.nachhaltige Mobilität: City-Maut
02.02.nachhaltige Mobilität: Sharing & Pooling (eMobilität)
09.02.nachhaltige Mobilität: ländliche Mobilität

Studentische Unterstützung gesucht!

Für unser Team am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Studentische Hilfskraft/ Wissenschaftliche Hilfskraft mit Bachelorabschluss. Konkrete Aufgaben sind vor allem die Recherche und Kodierung von durchgeführten Beteiligungsverfahren sowie die Kodierung von Beiträgen aus Bürgerbeteiligungsverfahren.

Interessiert? Wir freuen uns auf Bewerbungen bis zum 9. Juni! Weitere Infos siehe:

Urban Change Maker Group – Workshop in Berlin

Der Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen im Bereich nachhaltige Mobilität ist sehr wichtig für uns – er hilft uns dabei, Partizipation aus anderen Perspektiven zu betrachten und inspiriert uns, und oft tun sich Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auf. Deswegen sind wir Teil der Urban Change Maker Group, eine interdisziplinären Gruppe aus PhD und Post-Doc Wissenschafter*innen aus verschiedenen Teilen der Welt, die zu Themen nachhaltiger Stadtentwicklung forschen. Dabei soll die Forschung zu einer nachhaltigen Transformation in der Praxis beitragen, hauptsächlich mit Fokus auf Governance, Akteurskonstellationen und soziale Gerechtigkeit.

Die Forschungsgruppe ist angegliedert an das Wuppertal Institut und die Technische Universität Berlin, sowie verschiedene andere Forschungseinrichtungen und Universitäten.

Am 6. März trafen wir uns zu einem kreativen Workshop um mögliche Synergien und gemeinsame Forschungsinteressen herauszuarbeiten. Zunächst stellten alle ihre individuellen Forschungsthemen und -interessen vor, woraus sich schon eine Diskussion um mögliche Zusammenarbeiten ergab. Darauf aufbauend wurden erste gemeinsame Veröffentlichungen geplant und Masterarbeitsthemen für Studierende der beteiligten Universitäten gesammelt.

Für unsere Forschungsgruppe könnte es beispielsweise interessant sein, unsere Fallstudien aus Deutschland mit ähnlichen Fällen von Bürger*innenbeteiligung in einer der Partnerstädte zu vergleichen und Ähnlichkeiten und Unterschiede zu untersuchen. Der Austausch soll über die folgenden Jahre fortgeführt werden. Dazu werden regelmäßige Workshops und eine jährliche Summer School für die ganze Gruppe stattfinden; zusätzlich wird es intensiveren Austausch in kleinen Gruppen zu konkreteren gemeinsamen Projekten geben. Der Austausch soll uns dabei helfen, unser Forschungsthema in einem weiteren thematischen und geographischen Kontext zu stellen.