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Kategorie: Policy-Wirkung
Ergebnisse unserer Erhebungen in Hamburg-Altona (Sanierung Elbchaussee): Abschlusspräsentation
In einem gemeinsamen Termin mit einer Vertreterin des Landesbetrieb, Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) der Freien und Hansestadt Hamburg stellte die Forschungsgruppe am 15. Mai 2023 die Ergebnisse der Erhebungen im Zusammenhang mit dem Beteiligungsverfahren zur Sanierung der Elbchaussee (Elbchaussee Dialog) vor. Die Sanierung der Elbchaussee war eines von insgesamt fünf Planungsvorhaben, die von der Forschungsgruppe CIMT über mehrere Jahre intensiv untersucht wurden, um die Wirkungen von konsultativer Bürger*innenbeteiligung u.a. auf politische Einstellungen zu untersuchen.
Im Rahmen des Planungsverfahrens wurden verschiedene Beteiligungsformate durchführt, z.B. Online-Dialoge und Workshops. Nähere Informationen zum Elbchaussee Dialog und den durchgeführten Beteiligungsformaten finden sich auf der Website des LSBG.
Dieses Planungs- und Beteiligungsverfahren wurde von der Forschungsgruppe CIMT der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unabhängig (d.h. ohne Auftrag und Einflussnahme seitens der Stadt Hamburg) untersucht, vor allem mit Hilfe von Stakeholder-Interviews sowie Umfragen unter den Einwohner*innen in Altona. Dazu wurde in ausgewählten Stadtteilen in Altona im Jahr 2021 ein zufällig ausgewählter Teil der Bevölkerung befragt. Weitere Informationen zu den Befragungen der Forschungsgruppe finden Sie hier.
Ausgewählte Ergebnisse
- Die Teilnehmende am Beteiligungsverfahren hatten einen hohen sozialen Status (Bildung, Einkommen), waren deutlich älter, oft männlich – Radfahrende und Autofahrende!
- Motiv für Beteiligung insbesondere: Einfluss auf Entscheidung nehmen.
- Es wird tendenziell ein mangelnder Einfluss der Beteiligung auf die politische Entscheidung wahrgenommen.
- Dies deckt sich mit den Ergebnissen durch die Stakeholder-Interviews und die Dokumentenanalyse. Auch hier zeigt sich eine eher geringe Policy-Wirkung der Konsultation.
- Besonders hinderlich waren dabei Restriktion durch Paradigmen und Vorgaben von höheren politischen Ebenen.
- Das Planungsverfahren und seine Ergebnisse wurden von der Öffentlichkeit insgesamt dennoch durchaus positiv bewertet, aber die Teilnehmende zeigen eine negativere Einschätzung der Ergebnisse des Planungsverfahrens.
- Das Verfahren hat einen Einfluss auf Zufriedenheit mit lokalen Institutionen.
Es ist zu beachten, dass die Präsentation im Wesentlichen den Stand der Erkenntnisse im Frühjahr 2023 darstellt. Seitdem wurden zusätzliche Auswertungen durchgeführt. Ausführlicher werden die Ergebnisse dieser Fallstudie daher in der Dissertation von Laura Mark vorgestellt.
Präsentation zum Download
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Weiterentwicklung: Konflikten der Verkehrswende durch Öffentlichkeitsbeteiligung begegnen?
In einer Präsentation auf der Dortmunder Konferenz (dokorp) 2025 „Grund zum Planen in Zeiten multipler Krisen“ stellten Katharina Holec, Laura Mark und Tobias Escher weitere ausgewählte Empfehlungen für den Umgang mit Planungskonflikten im Kontext der Verkehrswende vor. Die Präsentation entstand aus der fortlaufenden Beschäftigung mit Handlungsempfehlungen, die von der Forschungsgruppe CIMT als Synthese der verschiedenen Forschungsstränge und in Kooperation mit den Kommunen ausgearbeitet wurde.
Diese Empfehlungen sind abgeleitet aus verschiedenen Forschungsergebnissen aus dem CIMT-Projekt. Sie stützen sich auf quantitative Daten aus Befragungen von mehr als 2.000 Personen und qualitative Daten aus mehr als 20 Interviews zu verschiedenen Mobilitätsplanungsprozessen in drei deutschen Städten, sowie eine quantitative Analyse der Beteiligungslandschaft in Deutschland auf Basis einer von uns aufgebauten umfangreichen Datenbank mit über 350 verkehrsbezogenen Beteiligungsverfahren. Nach Rückmeldung von Praxispartner*innen wurden sie überarbeitet und in eine schlüssige Form gebracht
Empfehlungen
Für die Präsentation wurden aus den bislang erarbeiteten Empfehlungen folgende zwei ausgewählt und zur Diskussion gestellt:
Es ist nicht die vorrangige Aufgabe von Konsultationsverfahren, einen Konsens zu grundlegend strittigen Themen wie der Verkehrswende zu erzielen.
Im Vergleich zur Präsentation auf der CMUS Konferenz in Aalborg wurde diese Empfehlung im Prozess der Entwicklung der Handlungsempfehlungen leicht angepasst und umformuliert, sodass Konsens zwar weiterhin nicht als vorrangige Aufgabe von Konsultationsverfahren gesehen wird, aber zumindest als Teilaspekt angestrebt werden kann. Weiterhin ist es so, dass betont wird, dass die Verkehrswende grundsätzlich umstritten ist. Die Herleitung der Handlungsempfelung ist im Beitrag zur Mobilities Controversies Konferenz in Aalborg 2024 nachzulesen.
Die Ergebnisse der Konsultation müssen durch andere Perspektiven ergänzt werden, um zu einer ausgewogenen Entscheidung im Sinne der Verkehrswende zu gelangen!
Auch hier wurde nach Diskussion mit Praxispartner*innen die Formulierung leicht angepasst. Die Formulierung wurde vor allem in Hinblick darauf geändert, dass darin nochmal klar gestellt werden sollte, dass Entscheidungen in erster Linie im Sinne der Verkehrwende getroffen werden sollten und diese dann auch noch ausgewogen sein sollten.
Präsentation und Publikation
Wir arbeiten momentan an einer Aufbereitung dieser und weiterer empirisch fundierter Empfehlungen für den Einsatz von Beteiligung in der Verkehrswende.
5. Praxisworkshop zu aus den Ergebnissen generierten Handlungsempfehlungen
Am 31. Oktober, 07. November und 11. Dezember haben Praxisworkshops stattgefunden, bei denen wir Handlungsempfehlungen vorgestellt und mit den Teilnehmenden diskutiert haben. Teilgenommen haben Verwaltungsmitarbeiter*innen, die in den verschiedenen Kommunen mit denen wir kooperiert haben, für Bürger*innenbeteiligung verantwortlich sind und die an der Planung und Durchführung der Beteiligungsverfahren beteiligt waren, die wir in unserer Forschung untersucht haben.
Im Zuge unserer Untersuchung verschiedener offener konsultativer Beteiligungsformate zum Thema urbaner Mobilitätsplanung, konnten wir verschiedene Erkenntnisse generieren, aus denen sich Thesen ableiten lassen. Diese Vielzahl an Thesen haben wir in einem weiteren Schritt zu sieben Handlungsempfehlungen verbunden, die bei der Umsetzung konsultativer Beteiligungsformate unterstützen sollen. Zu Beginn der Workshops haben wir den Weg von der Erkenntnis zur Handlungsempfehlung an einem Beispiel skizziert, bevor die Praktiker*innen selbst tätig wurden und in unserer Mindmap Kommentare hinterlassen konnten. Mit Hilfe digitaler Klebezettel haben sie ihre Meinungen, Ergänzungen, Kritikpunkte und Erfahrungen zu den einzelnen Handlungsempfehlungen angebracht. Im Anschluss daran gab es dann Diskussionen zu einzelnen Handlungsempfehlungen. Wichtige Punkte waren:
- Die Nützlichkeit der Handlungsempfehlungen in der Beteiligungspraxis als Tools zur Einordnung der eigenen Beteiligung
- Die Nützlichkeit der Handlungsempfehlungen in der Beteiligungspraxis als Begründungshilfe für die Wichtigkeit von Beteiligung
Die Expert*innen waren sich insgesamt einig, dass die Ergebnisse unserer Forschung sehr hilfreich sind, um gegenüber der Politik die Herausforderungen der Bürger*innenbeteiligung und die daraus folgenden Konsequenzen zu kommunizieren. Zusätzlich merkten viele der Praktiker*innen an, dass sie die Verknüpfung zu den Ergebnissen der Forschung übersichtlich und strukturiert fanden. Einige hatten den Eindruck, dass Beteiligungen, spezifischer Konsultationen in kommunalen Verwaltungen kritisch gesehen werden. Sie teilen die Einschätzung, dass unsere Ergebnisse einen Beitrag leisten können Verwaltungsmitarbeiter*innen zu schulen und ihnen die Nützlichkeit von Beteiligungsverfahren nahe zu bringen.
Größere Diskussionspunkte in den Workshops waren:
- die Konkretheit der Handlungsempfehlungen und das Einbinden von Beispielen in die Ergebnisdarstellung
- eine potentiell stärkere Betonung des Transparenzaspekts durch die Handlungsempfehlungen
- eine Anordnung der Handlungsempfehlungen in der zeitlichen Reihenfolge eine Partizipationsprozesses
Die Planer*innen merken an, dass die Handlungsempfehlungen konkretisiert werden könnten, um den Praxisbezug zu verdeutlichen und sie eher Anwendung finden zu lassen. In ihrer vorgestellten Form waren sie eher allgemein Gehalten und immer in strenger Relation zu den Ergebnissen der Forschung. Es wurde vorgeschlagen die Empfehlungen mit Beispielen aus konkreten Beteiligungsformaten zu unterfüttern. Beispielsweise könnten dafür unsere Forschungsgegenstände genannt werden, die unseren Erkenntnissen, den Thesen und damit auch den Handlungsempfehlungen zu Grunde liegen.
Obwohl Umformulierungen und Konkretisierungen vorgenommen wurden, sind Beispiele nicht direkt in den Empfehlungen zu finden. Dies wäre vor allem in Bezug auf die teils abstrakten und quantitativen Ergebnisse kompliziert gewesen. In Teilen bilden Beispiele aus den konkreten Partizipationsverfahren aber die Grundlage für das Erarbeiten der Handlungsempfehlungen und werden zum Teil zum Unterstreichen der Wichtigkeit genutzt.
Ein weiterer Aspekt, den die Expert*innen angebracht haben ist, dass sich in einem Planungsprozess zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Aufgaben und Fragen stellen. Die sieben Handlungsempfehlungen beziehen sich teilweise auf die Planung, Umsetzung oder Auswertung der Verfahren. Dabei wurde vorgeschlagen spezifisch auf den Partizipationsprozess zu achten und die Handlungsempfehlungen entsprechend anzuordnen. Dies wurde umgesetzt.
Zum Abschluss der Workshops haben wir nach Anregungen für die Veröffentlichung der Ergebnisse gefragt. Dabei wurde betont wie wichtig eine gute Auffindbarkeit für die Planer*innen ist und empfohlen bereits bestehende Netzwerke zu nutzen, um die Ergebnisse möglichst weit streuen zu können.
Wir bedanken uns bei den Praktiker*innen für Ihre Zeit und den wichtigen Input – sowie in großen Teilen die jahrelange Kooperation. Es kamen viele wichtige Erkenntnisse und Anregungen zusammen, die uns bei der Arbeit an einer hilfreichen und praxisnahen Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen helfen.
Konflikten der Verkehrswende durch Öffentlichkeitsbeteiligung begegnen?
In einer Präsentation auf dem C-MUS Kongress 2024 in Aalborg (Dänemark) stellten Katharina Holec, Laura Mark und Tobias Escher ausgewählte Empfehlungen für den Umgang mit Planungskonflikten im Kontext der Verkehrswende vor.
Diese Empfehlungen sind abgeleitet aus verschiedenen Forschungsergebnissen aus dem CIMT-Projekt. Sie stützen sich auf quantitative Daten aus Befragungen von mehr als 2.000 Personen und qualitative Daten aus mehr als 20 Interviews zu verschiedenen Mobilitätsplanungsprozessen in drei deutschen Städten, sowie eine quantitative Analyse der Beteiligungslandschaft in Deutschland auf Basis einer von uns aufgebauten umfangreichen Datenbank mit über 350 verkehrsbezogenen Beteiligungsverfahren.
Empfehlungen
Für die Präsentation wurden aus den bislang erarbeiteten Empfehlungen folgende zwei ausgewählt und zur Diskussion gestellt:
Es ist nicht die Aufgabe einer Konsultation, einen Konsens zu erzielen!
Dies wird abgeleitet aus der grundlegend konflikthaften Natur von Verkehrsplanung, die sich auch in unseren Daten zeigt und durch die untersuchten Beteiligungsformate nicht befriedigend aufgelöst werden konnte. Beispielsweise zeigten sich im Projekt freiRaum Ottensen trotz umfassender Beteiligung noch immer 21% der Teilnehmenden unzufrieden mit der erfolgten Entscheidung, und 74% der Bevölkerung hatte gar keine Kenntnis von der Möglichkeit, sich zu beteiligen. Das bedeutet, dass nicht Konfliktlösung der Anspruch sein sollte, sondern die Schaffung eines Forums zum Austausch und zur Ideengenerierung, und dass Beteiligung nicht an ihrem Grad der Konfliktlösung beurteilt werden sollten.
Die Ergebnisse der Konsultation müssen durch andere Perspektiven ergänzt werden, um zu einer ausgewogenen Entscheidung zu gelangen!
Beteiligungsergebnisse können ein Bild bestehender Anliegen vermitteln und sollten ernst genommen werden, allerdings spiegeln sie erstens aufgrund ihrer mangelnden Repräsentativität nicht die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung wieder, und zweitens kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle wichtigen Aspekte für die Verkehrswende enthalten sind bzw. hauptsächlich unterstützende Beiträge eingebracht werden. Das bedeutet, dass Konsultationen durch andere Formen der Beteiligung ergänzt werden sollten. Beteiligungsergebnisse sollten mit anderen Perspektiven aus verschiedenen Akteurssphären ergänzt und abgewogen werden und können eine mutige politische Entscheidung nicht ersetzen.
Präsentation und Publikation
Wir arbeiten momentan an einer Aufbereitung dieser und weiterer empirisch fundierter Empfehlungen für den Einsatz von Beteiligung in der Verkehrswende. Diese Veröffentlichung wird hier nach Fertigstellung verlinkt. Die Präsentation kann hier heruntergeladen werden:
Ergebnisse unserer Erhebungen in Hamburg-Ottensen (freiRaum Ottensen): Abschlusspräsentation
In einem gemeinsamen Termin mit Vertreter*innen des Bezirksamts Altona (Hamburg) stellte die Forschungsgruppe am 7.12.2023 die Ergebnisse der Erhebungen im Zusammenhang mit dem Projekt freiRaum Ottensen vor. FreiRaum Ottensen war eins der fünf Projekte, in denen Befragungen und Interviews durchgeführt wurden. Der Fokus lag dabei auf den Konsultationsformaten, an denen die allgemeine Öffentlichkeit teilnehmen konnte. Nähere Informationen zum Projekt freiRaum Ottensen und den durchgeführten Beteiligungsformaten finden sich hier.
Ausgewählte Ergebnisse
- Die Bevölkerung in Ottensen sieht größtenteils Verbesserungsbedarf beim Verkehr und steht der Verkehrswende insgesamt relativ positiv gegenüber.
- Rund 50% der Bevölkerung hat vom Partizipationsverfahren zu freiRaum Ottensen gehört, ca. 16% haben teilgenommen. Im Vergleich mit anderen Verfahren sind das relativ hohe Werte, wobei trotz breiter und zielgruppenspezifischer Angebote die übliche Überrepräsentation von Personen mit Abitur, Männern und Personen älterer Jahrgänge festzustellen ist.
- Die Diskussion in den Beteiligungsveranstaltungen wurde als konstruktiv und respektvoll wahrgenommen, dennoch wurden Konflikte und Lücken bei der Repräsentation aller Interessen wahrgenommen.
- Der Policy-Prozess wurde in diesem Projekt vergleichsweise weit für die Bürger*innen geöffnet und die Beteiligung konnte das Planungsergebnis inhaltlich mitgestalten.
- Für rund ein Drittel der Bevölkerung und für die Hälfte der Teilnehmenden hatte das Beteiligungsverfahren einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Bezirksamt. Allerdings war der Einfluss nicht immer positiv: Zum Beispiel war jede*r vierte Teilnehmer*in am Ende zufriedener mit dem Bezirksamt, aber genau so viele waren auch weniger zufrieden.
- Zwei Drittel der Bevölkerung beurteilen die beschlossenen Maßnahmen positiv.
- (Aussagen zur Bevölkerung beziehen sich in der Regel auf die Teilgruppe der Personen mit Abitur – siehe detaillierte Informationen zur Repräsentativität der Befragungen)
Präsentation zum Download
Eine aufbereitete Form der Ergebnispräsentation kann hier heruntergeladen werden:
Kommunale Mobilitätswende im Gegenwind? Gemeinsame Abschlussveranstaltung der SÖF-Nachwuchsgruppen CIMT und MoveMe am 26. April 2024
Hintergrund
In den Kommunen vor Ort wird sich mitentscheiden, ob die dringend benötigte Wende zur nachhaltigen Mobilität gelingt oder scheitert, da hier viele der dafür notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dabei lösen viele Maßnahmen, zum Beispiel zur Aufteilung von Straßenräumen oder auch Mobilitätsinnovationen wie E-Tretroller, vielerorts heftige Kontroversen aus. Nicht zuletzt deshalb fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) seit 2019 zwei Nachwuchsgruppen, die Pfade für eine kommunale Mobilitätswende erforschen.
Die Gruppe CIMT an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konzentriert sich dabei vor allem auf die Rolle von Beteiligung (v.a. der Konsultation) von Bürger*innen, während die Gruppe MoveMe an der TU Dortmund und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen ihren Fokus auf unterschiedliche Raumtypen (Stadt vs. Umland) legt und dabei insbesondere die Rolle (v.a. digitaler) Schlüsselinnovationen untersucht. Auf der gemeinsamen Abschlussveranstaltung am 26. April diesen Jahres haben beide Gruppen nun Ergebnisse aus Ihrer Arbeit präsentiert. Insgesamt nahmen an der dreistündigen Veranstaltung fast 100 Personen aus Verwaltung, Planung und Wissenschaft teil.
Ergebnisse
Den Auftakt bildete eine Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Difu Berlin), in der sie vor allem auf die zahlreichen verwaltungsinternen Hindernisse für eine Mobilitätswende einging wie komplexe interne Verwaltungsstrukturen und durch Bundesrecht beschränke Regelungskompetenzen. Im Anschluss wurden einzelne Forschungsergebnisse im Rahmen von drei parallelen Sessions vertieft.
In Session 1 ging es auf Basis von drei verschiedenen quantitativen Befragungen darum, wie Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum stehen. Dabei wurde deutlich, dass es durchaus hohe Zustimmung und Mehrheiten für viele Maßnahmen gibt, auch für Push-Maßnahmen (z.B. Tempo 30 oder autofreie Innenstädte). Uwe Böhme berichtete, dass dabei für Hannover keine Stadt-Land-Unterschiede beobachtet werden konnten. Tobias Escher zeigte, dass vor allem Umwelteinstellungen und die Verkehrsmittelwahl ursächlich für die Einstellung zu solchen Umverteilungsmaßnahmen sind. Viktoria Allert kam zu dem Ergebnis, dass diese Einstellungen in der Folge allerdings eher selten zu konkretem Handeln für oder gegen Verkehrswendemaßnahmen führen. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Identifikation mit einer Gruppe zu (z.B. Radfahrenden, oder auch der Nachbarschaft), die dann zu Handeln führt.
In Session 2 wurden Einschränkungen und Potentiale von Bürger*innenbeteiligung an der Verkehrswende in den Blick genommen. Zunächst einmal wurde festgehalten, dass die konsultative Beteiligung an der Mobilitätsplanung in vielen Kommunen noch nicht allgegenwärtig ist. Dort, wo sie eingesetzt wird, lässt sich durchaus ein Einfluss auf die finale Planungsentscheidung feststellen. Die Forschung von Laura Mark zeigt aber, dass es dafür eine wichtige Rolle spielt, dass die Teilnehmerschaft und deren Beiträge von den Entscheidungstragenden als repräsentativ bewertet werden. Katharina Holec konnte auf Basis von Befragungen zeigen, dass sich Partizipationsverfahren vor allem bei denjenigen positiv auf die Einstellung zur lokalen Demokratie auswirken, deren Präferenzen sich am Ende in der Entscheidung wiederfinden. Der Prozess selbst sorgt damit eher weniger für Akzeptanz, wenn die Maßnahmen grundsätzlich abgelehnt werden.
In der dritten Session stand die Rolle digitaler Innovationen für die Verkehrswende im Mittelpunkt. Dabei wurden zum einen Sharing Dienste untersucht. Fabian Nikscha und Jan Gödde zeigten beide, dass E-Scooter-Sharing vorwiegend vor jungen Männern genutzt wird und dass es aktiver Steuerung bedarf, um Sharing-Dienste insgesamt noch inklusiver zu gestalten. E-Scooter und Ridepooling bieten ein beträchtliches Potential nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland. Zum anderen konnte Nadezda Krasilnikova zeigen, dass mobile Arbeit (Home-Office) auch im suburbanen Raum zu nachhaltiger Mobilität beitragen kann. Dazu muss es aber noch stärker durch Kommunen und die Unternehmen selbst gefördert werden.
In der Abschlussdiskussion kamen Vertreter*innen aus drei Kommunen zu Wort, die in den letzten Jahren intensiv mit den beiden Nachwuchsgruppen kooperiert haben. Sie teilten mögliche Erfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende aus ihrer Erfahrung in der Umsetzung vor Ort. So empfahl Bastian Hagmaier (Bereichsleitung Mobilität, Hansestadt Lüneburg) beispielsweise, sich bei Information zu und Partizipation an Mobilitätsmaßnahmen vor allem auf die bislang unentschiedenen Personen zu konzentrieren, da die Gegner*innen oder Befürworter*innen schon organisiert und gut vertreten seien. Johanna Grüne (Fachbereich Verkehrsentwicklung & -management, Region Hannover) hob vor allem die wichtige Rolle der Organisation von Mehrheiten in Politik und Verwaltung sowie von lokalen Netzwerken hervor, die in Stadt und Region gemeinsam an der Umsetzung der Verkehrswende arbeiten. Aus ihren Erfahrungen bei der Einführung eines E-Scooter-Sharings in Ronnenberg zog Janine Luschnat (Team Ökologie & Klimaschutz, Stadt Ronnenberg) nicht nur das Fazit, dass Verkehrsversuche sinnvoll sind, um Probleme zu erkennen und Akzeptanz zu gewinnen, sondern auch, dass die Verkehrswende im ländlichen Raum nicht grundsätzlich schwieriger umzusetzen sei, sondern nur anders.
Programm
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über das detaillierte Programm. Die einzelnen Präsentationen können über die entsprechenden Links aufgerufen werden.
10:00 Uhr | Begrüßung und Vorstellung MoveMe & CIMT Dr. Lisa Ruhrort (Hochschule für Wirtschaft & Umwelt Nürtingen-Geislingen) Jun.-Prof. Dr. Tobias Escher (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) |
10:20 Uhr | Aktuelle Herausforderungen der Verkehrswende aus kommunaler Sicht Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Leiterin Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin) |
10:45 Uhr | Kaffeepause |
10:50 Uhr | Auswahl aus drei interaktiven Sessions mit Input aus den beiden Projekten Wenig Platz, viele Wünsche: Wie stehen Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum?
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12:00 Uhr | Kaffeepause |
12:15 Uhr | Erfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende: Fragen an die Praxis Praxisvertreter*innen aus:
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13:00 Uhr | Ende der Veranstaltung |
Die Konsultation von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten: Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland
In diesem Artikel in der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung stellen Laura Mark, Katharina Holec und Tobias Escher die Ergebnisse einer Erhebung zu Umfang und Ausgestaltung von Konsultation bei kommunaler Planung mit Mobilitätsbezug vor. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Aussagen über die Beteiligungslandschaft in Deutschland ableiten.
Die Ergebnisse wurden im Juni 2023 in einer früheren Fassung auf der 18. Jahrestagung des Arbeitskreises Mobilität und Verkehr (AK MoVe) vorgestellt.
Zusammenfassung
Kommunen als wesentliche Akteure der Verkehrswende nutzen bei der Planung verstärkt konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung. Bislang ist jedoch unklar, in welchem Ausmaß sie Beteiligungsverfahren bei der mobilitätsbezogenen Planung einsetzen und wie diese gestaltet werden. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Verkehrswende ist eine solche Bestandsaufnahme aber höchst relevant, um die praktische Bedeutung von Partizipationsverfahren abzuschätzen und die Rolle verschiedener Verfahrenstypen und -kontexte besser untersuchen zu können.
Die Erhebung schließt diese Lücke auf Basis einer Auswertung der konsultativen, diskursiven Beteiligungsangebote für mobilitätsbezogene Planungen deutscher Städte seit 2015. Untersucht wurden Städte mit Leitlinien für Bürgerbeteiligung, die mit einer Zufallsauswahl aus ‘typischen‘ Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen sowie den drei deutschen Stadtstaaten verglichen wurden.
Auf Basis dieser rund 180 Städte und 350 Verfahren wird deutlich, dass diskursive Konsultationen zwar regelmäßig durchgeführt werden, vor allem in Kommunen mit Leitlinien sowie größeren Städten. Kritisch zu bewerten ist, dass die dabei eingesetzten Formate meist nur bestimmte Gruppen der Bevölkerung erreichen können und dass sich oft keine Angaben zu den Ergebnissen der Beteiligung auffinden lassen. Damit kommen die Potentiale diskursiver Bürger*innenbeteiligung bei der Bewältigung der kommunalen Verkehrswende bislang zu wenig zum Tragen.
Wesentliche Ergebnisse
- Beteiligung an kommunalen Planungsverfahren mit Mobilitätsbezug ist keine Ausnahme mehr, aber auch noch nicht die Regel. Basierend auf den Daten unserer Stichprobe kann man davon ausgehen, dass es in den meisten Kommunen in Deutschland im betrachteten Zeitraum keine Möglichkeit gab, sich an solchen Verfahren zu beteiligen.
- Generell beteiligten Städte mit Leitlinien ihre Bürger*innen häufiger, öfter und mit vielfältigeren Themen und Formaten. Mittel- und Großstädte beteiligten deutlich häufiger als Kleinstädte.
- Bei den eingesetzten Beteiligungsformaten zeigen sich Schwächen: Der Großteil der Kommunen setzten auf selbst-selektierte Auswahlprozesse. Erste Versuche mit zielgruppenspezifischen Formaten oder vereinzelt auch Zufallsauswahl sind v.a. in den Kommunen mit Leitlinien und in den Stadtstaaten zu finden. Auch wurde ein großer Anteil der Verfahren rein online durchgeführt.
- Für 5 bis 10% der Verfahren ließ sich kein aktueller Stand auffinden, für einen größeren Teil war unklar, was nach der Konsultation passierte. Dies trifft für alle Kommunen zu, wenn auch weniger stark auf solche mit Leitlinien und lässt sich als Mangel an Transparenz und Wirkung der Beteiligung werten.
Publikation
Mark, Laura; Holec, Katharina; Escher, Tobias (2024). Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten. Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung: 1-16. DOI: 10.14512/rur.2239.
Datengrundlage
Die Datengrundlage, also die systematisch erhobene Zusammenstellung der Beteiligungsverfahren und deren Kodierung nach bestimmten Aspekten, findet sich zur Recherche und zum Download hier.
Verkehrswende konkret: Perspektiven der SÖF-Nachwuchsgruppen mit Schwerpunkt Mobilität
Gemeinsam mit CIMT starteten im Jahr 2019 zwei weitere BMBF-geförderten Nachwuchsgruppen in der sozial-ökologischen Forschung mit einem Fokus auf dem Verständnis und der Gestaltung der Verkehrswende: Experi, mit einem Fokus auf der Rolle von Reallaboren für die Mobilitätswende, und MoveMe mit einem besonderen Augenmerk auf den Besonderheiten für die Verkehrswende im suburbanen Raum.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche theoretische und empirische Beiträge erarbeitet, und mittlerweile liegen in allen drei Nachwuchsgruppen zahlreiche Erkenntnisse vor. Im Rahmen eines gemeinsamen zweitägigen Workshops haben sich die drei Nachwuchsgruppen am 25. &. 26. Oktober in Hannover zu einem intensiven Austausch getroffen.
Ziel war die Vorstellung der jeweiligen Erkenntnisse, der Austausch über gemeinsame Herausforderungen, und die Identifikation möglicher Schnittstellen. Unter dem übergeordneten Anliegen der Gestaltung der Verkehrswende wurden dabei eine Reihe von Themen deutlich, zu denen in den Gruppen mit verschiedenen theoretischen Ansätzen und empirischen Methoden neue Perspektiven erarbeitet werden. Dazu gehören die Akzeptanz von Verkehrswendemaßnahmen, die Bedeutung von Partizipation und Konsultationsprozessen sowie die konkreten Optionen für eine Ausgestaltung zukünftiger Mobilität.
Der Workshop soll als Impuls dienen, in Zukunft verschiedene Formate der Zusammenarbeit auszuloten, z.B. in Form von gemeinsamen Veranstaltungen, Publikationen oder Projekten.
Inklusiv, transparent und effektiv? Partizipation und prozedurale Gerechtigkeit
In einer Präsentation auf dem Jahreskongress der AESOP (Assosiation of European Schools of Planning) im Jahr 2023 in Łódź stellten Katharina Holec, Laura Mark und Tobias Escher Ergebnisse der konsultativen Beteiligung an einem Konsultationsverfahren vor. Dabei sollte es darum gehen, ob dieses Verfahren zu prozeduraler Gerechtigkeit beitragen konnte.
Zusammenfassung
Konsultative Beteiligung stellt ein häufig genutztes Werkzeug zur Korrektur traditioneller Ungleichheiten in der Planung dar. Es wird häufig zur Aushandlung alltagsrelevanter Konflikte genutzt. Dabei sind Bürger*innen dazu angehalten, ihre Interessen und Ideen zu äußern. Zudem versprechen sich lokale Verwaltungen einen Zuwachs an Legitimität. Prozedurale Gerechtigkeit kann dabei als wichtiger Aspekt für den erwünschten Akzeptanzzuwachs gesehen werden. Die Unterrepräsentation bestimmter sozio-ökonomischer Gruppen im Input konsultativer Beteiligung ist dabei eine der Hauptherausforderungen für prozedurale Gerechtigkeit.
An einer Fallstudie, die die Gruppe CIMT in den letzten Jahre wissenschaftlich begleitet hat, untersuchen wir in einem mixed methods Design den Beitrag von Partizipation zu prozeduraler Gerechtigkeit und deren Wahrnehmung durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Die zugrundeliegenden Kriterien beschäftigen sich vor allem mit Fragen nach Inklusivität, Transparenz und der Policy Wirkung, die als Teilaspekte prozeduraler Gerechtigkeit konzeptualisiert werden.
Obwohl Inklusivität erklärtes Ziel der Organisator*innen war, wird diese im Input des Prozesses – also bei der Frage, wer sich beteiligt – kaum erreicht. Etwas besser sah es mit der Inklusivität auf der Throughput Ebene aus. Diskussionen waren gut organisiert und wurden auch von Bürger*innen durchaus positiv wahrgenommen. Schaut man sich die Evaluation der Transparenz des Prozesses selbst an, wird dieser von den Teilnehmenden durchaus positiv bewertet. Einschränkungen gibt es bei der Bewertung der Transparenz des Ergebnisses und der Kommunikation anschließend an den Prozess. Ein Policy Effekt ist deutlich vorhanden und wird dabei vornehmlich von durch die Partizipierenden wahrgenommen. Dieser bleibt allerdings beschränkt auf nicht-essentielle Fragen des Prozesses.
Wesentliche Ergebnisse
- Der Konsultationsprozess hat zwar u.a. mit einer Überrepräsentation spezifischer marginalisierter Gruppen gearbeitet, scheitert aber daran niedriger gebildete und nicht männliche Personen einzubinden. Etwas besser sieht die Bewertung der Inklusivität während des Prozesses aus.
- Der Konsultationsprozess wurde mit zeitnaher Veröffentlichung von Ergebnissen der einzelnen Verfahrensschritte durchgeführt und wird auch insgesamt als transparent wahrgenommen mit wenig Unterschieden zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Menschen mit Behinderung sind etwas kritischer. Die Bewertung der Transparenz der Ergebnisse ist etwas negativer.
- Effekte auf die politische Entscheidung lassen sich darin finden, dass der Prozess die progressiven Ideen der Verwaltung gestärkt und unterstützt hat. Einflüsse der Partizipation bestanden eher auf einzelne Fragen, wie die Verortung von Radwegen oder Bushaltestellen.
- Dieser Effekt wird stärker durch die Teilnehmenden wahrgenommen.