3. Praxisworkshop zu ersten Ergebnissen aus den Befragungen in Projektkommunen

Am 30. November haben wir Vertreter*innen der mit uns kooperierenden Kommunen eingeladen, um uns mit diesen über die ersten Ergebnisse aus den umfangreichen Befragungen unserer Forschungsgruppe auszutauschen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie die jeweiligen Beteiligungsverfahren von den Teilnehmenden eingeschätzt werden, und welche Aspekte zur Teilnahme motivieren, oder davon abhalten.

Trotz der Verschiedenheit der von uns untersuchten fünf Projekte (und der bislang z.T. noch geringen Zahl der Teilnehmenden) weisen die Einschätzungen der an solchen Prozessen partizipierenden Personen relativ große Übereinstimmungen auf. Insgesamt zeigen sich eher positive Bewertungen für die Beteiligungsverfahren im Hinblick auf den Diskussionsverlauf und die Transparenz. Gleichzeitig gibt es aber auch in allen Verfahren vergleichbare Herausforderungen. So wird z.B. die Repräsentation der eigenen Interessen als relativ gut bewertet, es werden aber Lücken in der Repräsentation anderer Meinungen wahrgenommen. Auch gelingt nicht immer ein Ausgleich der Interessen. Darüber hinaus sind die Teilnehmenden eher skeptisch, was die tatsächlichen Wirkung der Beteiligungsergebnisse auf den politischen Prozess angeht, wenn sie diese auch nicht ausschließen.

Einschätzung des von den Teilnehmenden besuchten Beteiligungsformats.
N=286 (Altona: 61, Marburg: 22, Offenburg: 40, Ottensen: 158, Wuppertal: 5)

Interessante Unterschiede zeigen sich auch zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden. Beispielhaft zeigt die untenstehende Auswertung die Anworten auf die Frage danach, wie der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen sollte. In der Regel befürworten Personen, die am Beteiligungsverfahren teilgenommen haben (T) grundsätzlich eher eine Umgestaltung zur Förderung von Fahrrad- und Fußverkehr als die Personen, die sich nicht an diesen Verfahren beteiligt haben (nT). So finden sich also unter den Teilnehmenden eher Befürworter*innen der Verkehrswende. Allerdings zeigen sich auch hier durchaus Unterschiede zwischen den Verfahren, die darauf hindeuten, dass die Motive sich einzubringen durchaus sehr verschieden ausfallen können – ein Aspekt, den wir in den zukünftigen Analysen weiter verfolgen werden.

Frage: Wie soll der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen?
Dargestellt nach teilgenommen (T) oder nicht teilgenommen (nT) am Partizipationsverfahren
N=1.587 (Altona: 432, Marburg: 417, Offenburg: 254, Ottensen: 342, Wuppertal: 142)

Der Praxisworkshop hatte das Ziel, diese ersten Befunde gemeinsam zu reflektieren, gerade auch im Vergleich des jeweils „eigenen“ Verfahrens mit den Ergebnissen aus den anderen untersuchten Kommunen. Dieser Austausch hat uns wichtige Hinweise auf mögliche Zusammenhänge geliefert und verdeutlicht, wo weiterer Klärungsbedarf besteht.

Die dargestellten Beispiele sind ein erster Einblick in die große Fülle an Daten, die mit Hilfe der Befragungen gesammelt wurden und die im Jahr 2023 noch erweitert werden wird (siehe Hintergrund unten). Der gemeinsame Austausch mit den kommunalen Partner*innen hatte daher auch den Zweck, genauer zu klären, welche Informationen für die kommunale Beteiligungspraxis relevant sind, und in welchen Formaten die gemeinsamen Diskussionen am sinnvollsten fortgeführt werden können.

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Partner*innen für Ihre Zeit und Ihre Ideen!

Zum Hintergrund

Im Rahmen unserer Forschung interessieren wir uns insbesondere dafür, welche Rolle Bürger*innenbeteiligung beim Gelingen der Verkehrswende spielen kann. Dafür untersuchen wir unter anderem fünf verschiedene Beteiligungsverfahren:

Für jedes Projekt wurde von uns ein umfangreiches Programm an Befragungen durchgeführt. Dafür haben wir zum einen eine Zufallsauswahl aus der gemeldeten Bevölkerung mit einem Fragebogen angeschrieben. Zum anderen wurden von uns im Rahmen der verschiedenen Beteiligungsformate Teilnehmer*innen befragt. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die Befragungszeiträume einschließlich der Ausschöpfungsquoten der von uns durchgeführten Bevölkerungsbefragungen. Insgesamt wurden bislang rund 1.600 Personen befragt, von denen rund 300 an einem der untersuchten Beteiligungsverfahren teilgenommen haben.

Übersicht über durchgeführte Befragungen von Bevölkerung und Teilnehmenden (Prozentwerte geben Rücklaufquoten der Bevölkerungsbefragung wieder)

Interdisziplinäres Seminar zur Erforschung von sozialem Status und Sprache

In diesem Semester bieten wir online das Masterseminar „Die Erforschung von sozialem Status und Sprache mit Hilfe von automatisierten Auswertungsmöglichkeiten“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf an.

Im Seminar wollen wir gemeinsam die Zusammenhänge von sozialem Status und Sprache am praktischen Beispiel von diskursiven Online-Beteiligungsverfahren untersuchen. Dabei soll die theoriebasierte Entwicklung einer soziologischen Fragestellung Hand-in-Hand mit der empirischen Untersuchung anhand von automatisierter Sprachverarbeitung (Natural Language Processing bzw. Text Mining) gehen. Dazu vermittelt das Seminar sowohl theoretische Hintergründe zur Beziehung von sprachlichem Kapital und sozialer Klasse sowie anderen demographischen Kategorien, als auch Fähigkeiten zur Untersuchung der Fragestellung durch automatisierte Inhaltsanalyse mit Hilfe von Verfahren des Natural Language Processing. Dazu werden sowohl die theoretischen Grundlagen dieser Techniken vermittelt, als auch deren Anwendung im Rahmen bestehender Softwarelösungen erprobt.

Zu Beginn des Seminars werden wir uns neben einer Einführung in die Soziolinguistik mit Theorien zum symbolischen Wert von sprachlichem Kapital und Macht von Bourdieu und Theorien zum machtfreien Diskurs in Anlehnung an Jürgen Habermas auseinandersetzen und diese auf das Thema politischer Beteiligung anwenden. Daran anschließend werden wir uns mit quantitativen Ansätzen zur Messbarkeit der verschiedenen Sprachindikatoren aus der Theorie auseinandersetzen, wie beispielsweise dem Informationsgehalt eines Beitrags oder dem verwendeten Vokabular. Diese sollen anhand existierender Softwarepakete in der Statistikumgebung R angewendet werden und auf ihre Nützlichkeit zur Beantwortung der Fragestellung von Sprache und Macht kritisch reflektiert werden.

Gegenstand der Untersuchung ist die Kommunikation im Rahmen von politischen Beteiligungsverfahren, konkret die von Bürger*innen verfassten Beiträge. Dazu nutzen wir Daten aus einer Befragung im Zusammenhang mit einem Beteiligungsverfahren in drei Städten in NRW, mit dem Bürger*innen Vorschläge zur Verbesserung des Radverkehrs in ihrer Stadt gemacht haben.