Nachhaltige Mobilität und Wohnen für Familien (in Düsseldorf)

In diesem Vortrag beim Düsseldorfer Familientisch, einem Netzwerk verschiedener Akteure in Düsseldorf, hat Tobias Escher erläutert, warum Mobilität und Wohnen eng miteinander verknüpft sind. So ist eine Transformation des derzeitigen autozentrierten Mobilitätssystems ohne eine gleichzeitige Veränderung der Siedlungspolitik – nicht nur in den Städten – zum Scheitern verurteilt. Dabei erklärte er zunächst, dass nachhaltige Mobilität mehr ist als die ökologisch verträgliche Abwicklung von Verkehr, sondern auch Verkehrslärm und Verkehrssicherheit in den Blick nimmt. Am Beispiel des Wohnens für Familien wurde gezeigt, wie sich deren Betroffenheit und Bedürfnisse stark unterscheiden zwischen denjenigen, die in den urbanen Zentren wohnen und den Familien, die sich im sprichwörtlichen „Häuschen im Grünen“ niederlassen. Für beide Gruppen stellte er eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen nachhaltigere Mobilitätsoptionen gefördert werden können. Diese reichen von einer Förderung von Möglichkeiten zur wohnortnahen Arbeit und Versorgung bis hin zur besseren Bepreisung von öffentlichem Verkehrsraum.

Die Veranstaltung fand am 12. Juni 2024 statt. Das Protokoll zum Nachlesen findet sich auf der Website des Familientischs.

Ergebnisse unserer Erhebungen in Hamburg-Ottensen: Abschlusspräsentation

In einem gemeinsamen Termin mit Vertreter*innen des Bezirksamts Altona (Hamburg) stellte die Forschungsgruppe am 7.12.2023 die Ergebnisse der Erhebungen im Zusammenhang mit dem Projekt freiRaum Ottensen vor. FreiRaum Ottensen war eins der fünf Projekte, in denen Befragungen und Interviews durchgeführt wurden. Der Fokus lag dabei auf den Konsultationsformaten, an denen die allgemeine Öffentlichkeit teilnehmen konnte. Nähere Informationen zum Projekt freiRaum Ottensen und den durchgeführten Beteiligungsformaten finden sich hier.

Ausgewählte Ergebnisse

  • Die Bevölkerung in Ottensen sieht größtenteils Verbesserungsbedarf beim Verkehr und steht der Verkehrswende insgesamt relativ positiv gegenüber.
  • Rund 50% der Bevölkerung hat vom Partizipationsverfahren zu freiRaum Ottensen gehört, ca. 16% haben teilgenommen. Im Vergleich mit anderen Verfahren sind das relativ hohe Werte, wobei trotz breiter und zielgruppenspezifischer Angebote die übliche Überrepräsentation von Personen mit Abitur, Männern und Personen älterer Jahrgänge festzustellen ist.
  • Die Diskussion in den Beteiligungsveranstaltungen wurde als konstruktiv und respektvoll wahrgenommen, dennoch wurden Konflikte und Lücken bei der Repräsentation aller Interessen wahrgenommen.
  • Der Policy-Prozess wurde in diesem Projekt vergleichsweise weit für die Bürger*innen geöffnet und die Beteiligung konnte das Planungsergebnis inhaltlich mitgestalten.
  • Für rund ein Drittel der Bevölkerung und für die Hälfte der Teilnehmenden hatte das Beteiligungsverfahren einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Bezirksamt. Allerdings war der Einfluss nicht immer positiv: Zum Beispiel war jede*r vierte Teilnehmer*in am Ende zufriedener mit dem Bezirksamt, aber genau so viele waren auch weniger zufrieden.
  • Zwei Drittel der Bevölkerung beurteilen die beschlossenen Maßnahmen positiv.
  • (Aussagen zur Bevölkerung beziehen sich in der Regel auf die Teilgruppe der Personen mit Abitur – siehe detaillierte Informationen zur Repräsentativität der Befragungen)

Präsentation zum Download

Eine aufbereitete Form der Ergebnispräsentation kann hier heruntergeladen werden:

Kommunale Mobilitätswende im Gegenwind? Gemeinsame Abschlussveranstaltung der SÖF-Nachwuchsgruppen CIMT und MoveMe am 26. April 2024

Hintergrund

In den Kommunen vor Ort wird sich mitentscheiden, ob die dringend benötigte Wende zur nachhaltigen Mobilität gelingt oder scheitert, da hier viele der dafür notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dabei lösen viele Maßnahmen, zum Beispiel zur Aufteilung von Straßenräumen oder auch Mobilitätsinnovationen wie E-Tretroller, vielerorts heftige Kontroversen aus. Nicht zuletzt deshalb fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) seit 2019 zwei Nachwuchsgruppen, die Pfade für eine kommunale Mobilitätswende erforschen.

Die Gruppe CIMT an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konzentriert sich dabei vor allem auf die Rolle von Beteiligung (v.a. der Konsultation) von Bürger*innen, während die Gruppe MoveMe an der TU Dortmund und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen ihren Fokus auf unterschiedliche Raumtypen (Stadt vs. Umland) legt und dabei insbesondere die Rolle (v.a. digitaler) Schlüsselinnovationen untersucht. Auf der gemeinsamen Abschlussveranstaltung am 26. April diesen Jahres haben beide Gruppen nun Ergebnisse aus Ihrer Arbeit präsentiert. Insgesamt nahmen an der dreistündigen Veranstaltung fast 100 Personen aus Verwaltung, Planung und Wissenschaft teil.

Ergebnisse

Den Auftakt bildete eine Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Difu Berlin), in der sie vor allem auf die zahlreichen verwaltungsinternen Hindernisse für eine Mobilitätswende einging wie komplexe interne Verwaltungsstrukturen und durch Bundesrecht beschränke Regelungskompetenzen. Im Anschluss wurden einzelne Forschungsergebnisse im Rahmen von drei parallelen Sessions vertieft.

In Session 1 ging es auf Basis von drei verschiedenen quantitativen Befragungen darum, wie Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum stehen. Dabei wurde deutlich, dass es durchaus hohe Zustimmung und Mehrheiten für viele Maßnahmen gibt, auch für Push-Maßnahmen (z.B. Tempo 30 oder autofreie Innenstädte). Uwe Böhme berichtete, dass dabei für Hannover keine Stadt-Land-Unterschiede beobachtet werden konnten. Tobias Escher zeigte, dass vor allem Umwelteinstellungen und die Verkehrsmittelwahl ursächlich für die Einstellung zu solchen Umverteilungsmaßnahmen sind. Viktoria Allert kam zu dem Ergebnis, dass diese Einstellungen in der Folge allerdings eher selten zu konkretem Handeln für oder gegen Verkehrswendemaßnahmen führen. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Identifikation mit einer Gruppe zu (z.B. Radfahrenden, oder auch der Nachbarschaft), die dann zu Handeln führt. 

In Session 2 wurden Einschränkungen und Potentiale von Bürger*innenbeteiligung an der Verkehrswende in den Blick genommen. Zunächst einmal wurde festgehalten, dass die konsultative Beteiligung an der Mobilitätsplanung in vielen Kommunen noch nicht allgegenwärtig ist. Dort, wo sie eingesetzt wird, lässt sich durchaus ein Einfluss auf die finale Planungsentscheidung feststellen. Die Forschung von Laura Mark zeigt aber, dass es dafür eine wichtige Rolle spielt, dass die Teilnehmerschaft und deren Beiträge von den Entscheidungstragenden als repräsentativ bewertet werden. Katharina Holec konnte auf Basis von Befragungen zeigen, dass sich Partizipationsverfahren vor allem bei denjenigen positiv auf die Einstellung zur lokalen Demokratie auswirken, deren Präferenzen sich am Ende in der Entscheidung wiederfinden. Der Prozess selbst sorgt damit eher weniger für Akzeptanz, wenn die Maßnahmen grundsätzlich abgelehnt werden.

In der dritten Session stand die Rolle digitaler Innovationen für die Verkehrswende im Mittelpunkt. Dabei wurden zum einen Sharing Dienste untersucht. Fabian Nikscha und Jan Gödde zeigten beide, dass E-Scooter-Sharing vorwiegend vor jungen Männern genutzt wird und dass es aktiver Steuerung bedarf, um Sharing-Dienste insgesamt noch inklusiver zu gestalten. E-Scooter und Ridepooling bieten ein beträchtliches Potential nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland. Zum anderen konnte Nadezda Krasilnikova zeigen, dass mobile Arbeit (Home-Office) auch im suburbanen Raum zu nachhaltiger Mobilität beitragen kann. Dazu muss es aber noch stärker durch Kommunen und die Unternehmen selbst gefördert werden.

In der Abschlussdiskussion kamen Vertreter*innen aus drei Kommunen zu Wort, die in den letzten Jahren intensiv mit den beiden Nachwuchsgruppen kooperiert haben. Sie teilten mögliche Erfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende aus ihrer Erfahrung in der Umsetzung vor Ort. So empfahl Bastian Hagmaier (Bereichsleitung Mobilität, Hansestadt Lüneburg) beispielsweise, sich bei Information zu und Partizipation an Mobilitätsmaßnahmen vor allem auf die bislang unentschiedenen Personen zu konzentrieren, da die Gegner*innen oder Befürworter*innen schon organisiert und gut vertreten seien. Johanna Grüne (Fachbereich Verkehrsentwicklung & -management, Region Hannover) hob vor allem die wichtige Rolle der Organisation von Mehrheiten in Politik und Verwaltung sowie von lokalen Netzwerken hervor, die in Stadt und Region gemeinsam an der Umsetzung der Verkehrswende arbeiten. Aus ihren Erfahrungen bei der Einführung eines E-Scooter-Sharings in Ronnenberg zog Janine Luschnat (Team Ökologie & Klimaschutz, Stadt Ronnenberg) nicht nur das Fazit, dass Verkehrsversuche sinnvoll sind, um Probleme zu erkennen und Akzeptanz zu gewinnen, sondern auch, dass die Verkehrswende im ländlichen Raum nicht grundsätzlich schwieriger umzusetzen sei, sondern nur anders.

Programm

Im Folgenden finden Sie einen Überblick über das detaillierte Programm. Die einzelnen Präsentationen können über die entsprechenden Links aufgerufen werden.

10:00 UhrBegrüßung und Vorstellung MoveMe & CIMT
Dr. Lisa Ruhrort (Hochschule für Wirtschaft & Umwelt Nürtingen-Geislingen)
Jun.-Prof. Dr. Tobias Escher (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)  
10:20 UhrAktuelle Herausforderungen der Verkehrswende aus kommunaler Sicht
Keynote von Anne Klein-Hitpaß (Leiterin Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin)  
10:45 UhrKaffeepause
10:50 UhrAuswahl aus drei interaktiven Sessions mit Input aus den beiden Projekten

Wenig Platz, viele Wünsche: Wie stehen Bürger*innen zu Maßnahmen zur Neuaufteilung von Straßenraum? Unterwegs im Dialog: Einschränkungen und Potentiale von Bürger*innenbeteiligung an der Verkehrswende Digitalisierung und Verkehrswende: Shared Mobility & mobile Arbeit
12:00 UhrKaffeepause
12:15 UhrErfolgsfaktoren für die kommunale Verkehrswende:
Fragen an die Praxis
Praxisvertreter*innen aus:
  • Johanna Grüne (Fachbereich Verkehrsentwicklung & -management, Region Hannover)
  • Bastian Hagmaier(Bereichsleitung Mobilität, Hansestadt Lüneburg)
  • Janine Luschnat(Team Ökologie & Klimaschutz, Stadt Ronnenberg)
Moderation: Dr. Lisa Ruhrort  
13:00 UhrEnde der Veranstaltung

KI zur Auswertung von Beteiligung? Das Potenzial von Sprachmodellen zur Erkennnung von Verkehrsmitteln in Beteiligungsbeiträgen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Julia Romberg und Tobias Escher ein Sprachmodell vor, mit dessen Hilfe Verkehrsmittel in Beteiligungsbeiträgen zuverlässig erkannt werden. Sie zeigen damit, dass überwachtes maschinelles Lernen die Auswertung von Beteiligungsbeiträgen mobilitätsbezogener Online-Beteiligungsverfahren sinnvoll unterstützen kann.

Zusammenfassung

Konsultationen sind ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsplanung und können dazu beitragen, Wissen aus der Bevölkerung in den Planungsprozess zu integrieren. Insbesondere durch Onlineformate kommen allerdings oft große Mengen an Beiträgen zustande, deren gründliche Auswertung ressourcenintensiv ist. Mit dem Einsatz von KI wird die Hoffnung verbunden, diese zu unterstützen.

Das in diesem Artikel vorgestellte Sprachmodell beruht auf dem Konzept des überwachten maschinellen Lernens zur Textklassifikation. Dabei werden vortrainierte Modelle mithilfe kleinerer Datensätze nachtrainiert. So kann ein Modell an einen speziellen Anwendungsbereich, wie beispielsweise verkehrsplanerische Konsultationsprozesse, angepasst werden.

Hier wurde eine vortrainierte deutschsprachige Version des leistungsfähigen RoBERTa Sprachmodells als Ausgangspunkt genommen. Anhand eines Kategorisierungsschemas, das hauptsächlich nach erwähnten Verkehrsmitteln unterscheidet, wurden 1.700 Beiträge aus sieben verkehrsplanerischen Konsultationsprozessen manuell kodiert. Die so entstandenen Daten wurden zum Teil als Trainingsdaten zum Fine-Tuning des Sprachmodells und zum Teil zur Evaluation genutzt.

Ergebnisse

  • Insgesamt konnte gezeigt werden, dass sich bereits heute verfügbare Sprachmodelle eignen, um die Auswertung von Konsultationsprozessen in der Praxis zu unterstützen. Das hier entwickelte Sprachmodell zur Erkennung der Verkehrsmittel kann dabei als Basis für eine konkrete Anwendung dienen.
  • Das nachtrainierte RoBERTa-Sprachmodell ist sehr gut in der Lage, die passenden Verkehrsmittel zuzuordnen. Das von uns vorgestellte Modell kann zuverlässig immer deutlich über 90% der Beiträge korrekt den darin genannten Verkehrsmitteln zuordnen.
  • Für die Verfahren, auf deren Beiträgen das Modell trainiert worden war, konnten im Durchschnitt 97% der Kategorien korrekt zugeordnet werden (auf einem separaten Testset). Für Beiträge aus anderen verkehrsbezogenen Beteiligungsverfahren konnten mit einer Genauigkeit von 91 bis 94% weiterhin sehr zuverlässig die passenden Verkehrsmittel zugeordnet werden.
  • Die Leistung des Modells verschlechtert sich also kaum, wenn es auf bislang unbekannte Daten aus mobilitätsbezogenen Beteiligungsverfahren angewandt wird. Das bedeutet, dass eine manuelle Kodierung im Vorfeld zumindest bei ähnlich aufgestellten Beteiligungsverfahren entfallen kann, was den Aufwand deutlich reduziert.

Publikation

Mark, Laura; Romberg, Julia; Escher, Tobias (2024). KI zur Auswertung von Beteiligung? Das Potenzial von Sprachmodellen zur Erkennung von Verkehrsmitteln in Beteiligungsbeiträgen. In: Internationales Verkehrswesen 76 (1): 12-16.

Die politische Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation: partizipativ und ökologisch?

In diesem Artikel in regierungsforschung.de, dem wissenschaftlichen Online-Magazin der NRW School of Governance, geht Tobias Escher der Frage nach, ob sich die Beteiligungsformate, die zur einer partizipativen Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation notwendig sind, auch ökologisch nachhaltig umsetzen lassen. Es wird also beleuchtet, wie sich der Anspruch an (ökologisch) nachhaltiges Regierungshandeln im demokratisch so wichtigen Bereich der öffentlichen politischen Mitbestimmung gewährleisten lässt.

Zusammenfassung

Die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft kann nur durch die Einbeziehung aller Stakeholder gelingen. Gleichzeitig erfordert nachhaltiges Regierungshandeln, dass auch diese Beteiligungsprozesse den Anforderungen an ebendiese Nachhaltigkeit genügen. Auf Basis einer systematischen Diskussion der Treibhausgasemissionen, die bei verschiedenen politischen Beteiligungsformaten anfallen, argumentiert dieser Beitrag, dass angesichts der funktionalen und normativen Bedeutung politischer Partizipation deren Ökobilanz regelmäßig nicht im Widerspruch zum Anspruch an nachhaltiges Regieren steht.

Ergebnisse

  • Bei der Durchführung von Beteiligungsformaten entstehen Treibhausgasemissionen durch notwendige Energie, die Mobilität der Teilnehmenden sowie gegebenenfalls deren Versorgung. Die Höhe der Emissionen hängt dabei entscheidend davon ab, ob die Formate in Präsenz oder digital durchgeführt werden (siehe Tabelle unten).
  • Für lokale Präsenzformate sind die Emissionen aus dem Betrieb des Veranstaltungsortes und der Mobilität vergleichsweise gering und betragen im betrachteten Szenario pro Person nur rund 2kg CO2-Äquivalente. Die Emissionen steigen um ein Vielfaches, sobald eine weitere Anreise (mit fossil betriebenen Verkehrsmitteln) notwendig ist – im zu Grunde liegenden Szenario um das zwölffache auf 24kg. Das entspricht in etwa den durchschnittlichen Emissionen aus einer Autofahrt von 100km Länge.
  • Im Gegensatz dazu entstehen durch Online-Beteiligungsformate nur sehr geringe Emissionen (im Szenario rund 0,3kg pro Person). Dennoch kann die Wahl der Beteiligungsformate sich nicht nur an deren kurzfristigen ökologischen Kosten orientieren, sondern muss auch normative Anforderung an Inklusion und Mitbestimmung berücksichtigen. Gerade digitale Beteiligungsformate stellen bedeutende Teilnahmehürden für ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen dar (siehe dazu auch unser DigiBeSt-Gutachten).
  • Insgesamt hat Beteiligung also zwar einen ökologischen Fußabdruck, dieser ist aber in aller Regel aus funktionalen und normativen Erwägungen gerechtfertigt. Regieren soll eben nicht nur nachhaltig, sondern vor allem demokratisch sein!
Präsenzbeteiligungdigitale Beteiligung
lokal(über)-regionalasynchronsynchron
Energie & KlimaHeizung & Klimatisierung VeranstaltungsortBetrieb Endgeräte & Rechen-zentrendaten-intensivere Kommu-nikation
MobilitätAnreise mit Verkehrs-mittelnAnreise mit Verkehrs-mittelnentfällt
Versorgung TeilnehmendeCateringÜber-nachtungentfällt
Direkte Umweltfolgen verschiedener Beteiligungsformate. Je dunkler die Farbe, desto größer sind die jeweiligen Emissionen aus dieser Quelle. Die Emissionen steigen grundsätzlich mit Anzahl der Teilnehmenden sowie Dauer des Beteiligungsformats.

Publikation

Escher, Tobias (2024). Die politische Gestaltung der Nachhaltigkeitstransformation: partizipativ und ökologisch? Essay. In: Regierungsforschung.de 15. https://regierungsforschung.de/die-politische-gestaltung-der-nachhaltigkeitstransformation-partizipativ-und-oekologisch/.

Die Konsultation von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten: Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland

In diesem Artikel in der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung stellen Laura Mark, Katharina Holec und Tobias Escher die Ergebnisse einer Erhebung zu Umfang und Ausgestaltung von Konsultation bei kommunaler Planung mit Mobilitätsbezug vor. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Aussagen über die Beteiligungslandschaft in Deutschland ableiten.

Die Ergebnisse wurden im Juni 2023 in einer früheren Fassung auf der 18. Jahrestagung des Arbeitskreises Mobilität und Verkehr (AK MoVe) vorgestellt.

Zusammenfassung

Kommunen als wesentliche Akteure der Verkehrswende nutzen bei der Planung verstärkt konsultative Öffentlichkeitsbeteiligung. Bislang ist jedoch unklar, in welchem Ausmaß sie Beteiligungsverfahren bei der mobilitätsbezogenen Planung einsetzen und wie diese gestaltet werden. Im Hinblick auf die Herausforderungen der Verkehrswende ist eine solche Bestandsaufnahme aber höchst relevant, um die praktische Bedeutung von Partizipationsverfahren abzuschätzen und die Rolle verschiedener Verfahrenstypen und -kontexte besser untersuchen zu können.

Die Erhebung schließt diese Lücke auf Basis einer Auswertung der konsultativen, diskursiven Beteiligungsangebote für mobilitätsbezogene Planungen deutscher Städte seit 2015. Untersucht wurden Städte mit Leitlinien für Bürgerbeteiligung, die mit einer Zufallsauswahl aus ‘typischen‘ Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen sowie den drei deutschen Stadtstaaten verglichen wurden.

Auf Basis dieser rund 180 Städte und 350 Verfahren wird deutlich, dass diskursive Konsultationen zwar regelmäßig durchgeführt werden, vor allem in Kommunen mit Leitlinien sowie größeren Städten. Kritisch zu bewerten ist, dass die dabei eingesetzten Formate meist nur bestimmte Gruppen der Bevölkerung erreichen können und dass sich oft keine Angaben zu den Ergebnissen der Beteiligung auffinden lassen. Damit kommen die Potentiale diskursiver Bürger*innenbeteiligung bei der Bewältigung der kommunalen Verkehrswende bislang zu wenig zum Tragen.

Wesentliche Ergebnisse

  • Beteiligung an kommunalen Planungsverfahren mit Mobilitätsbezug ist keine Ausnahme mehr, aber auch noch nicht die Regel. Basierend auf den Daten unserer Stichprobe kann man davon ausgehen, dass es in den meisten Kommunen in Deutschland im betrachteten Zeitraum keine Möglichkeit gab, sich an solchen Verfahren zu beteiligen.
  • Generell beteiligten Städte mit Leitlinien ihre Bürger*innen häufiger, öfter und mit vielfältigeren Themen und Formaten. Mittel- und Großstädte beteiligten deutlich häufiger als Kleinstädte.
  • Bei den eingesetzten Beteiligungsformaten zeigen sich Schwächen: Der Großteil der Kommunen setzten auf selbst-selektierte Auswahlprozesse. Erste Versuche mit zielgruppenspezifischen Formaten oder vereinzelt auch Zufallsauswahl sind v.a. in den Kommunen mit Leitlinien und in den Stadtstaaten zu finden. Auch wurde ein großer Anteil der Verfahren rein online durchgeführt.
  • Für 5 bis 10% der Verfahren ließ sich kein aktueller Stand auffinden, für einen größeren Teil war unklar, was nach der Konsultation passierte. Dies trifft für alle Kommunen zu, wenn auch weniger stark auf solche mit Leitlinien und lässt sich als Mangel an Transparenz und Wirkung der Beteiligung werten.

Publikation

Mark, Laura; Holec, Katharina; Escher, Tobias (2024). Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Mobilitätsprojekten. Eine quantitative Erhebung konsultativer Beteiligungsverfahren in Deutschland. In: Raumforschung und Raumordnung: 1-16. DOI: 10.14512/rur.2239.

Datengrundlage

Die Datengrundlage, also die systematisch erhobene Zusammenstellung der Beteiligungsverfahren und deren Kodierung nach bestimmten Aspekten, findet sich zur Recherche und zum Download hier.

Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen

In diesem Artikel in der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen stellen Laura Mark, Annika Busch-Geertsema, Jessica LeBris, Gesa Matthes und Kerstin Stark einen praxistauglichen Ansatz vor, um die Gerechtigkeit von Verkehrswend-Maßnahmen in verschiedenen Dimensionen zu überprüfen. Der Ansatz sowie der Artikel sind im Kontext des Arbeitskreises „Mobilität, Erreichbarkeit und soziale Teilhabe“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) entstanden.

Zusammenfassung

Vorgestellt wird ein praxistaugliches Instrument, um einen systematischen „zweiten Blick“ auf Verkehrswende-Maßnahmen mit einer Brille der Gerechtigkeit werfen zu können. Es kann dabei sowohl für die konzeptionelle Unterstützung bei Planung und Umsetzung, zur Reflexion während oder nach des Prozesses sowie für ein fortlaufendes Monitoring genutzt werden.

Anhand von drei Gerechtigkeitsdimensionen kann überprüft werden, welche Bevölkerungsgruppen von der Maßnahmen profitieren. Als Dimensionen dienen dabei Verteilungsgerechtigkeit, Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten und Verfahrensgerechtigkeit, die weiter ausdifferenziert und in einer einfach handhabbaren Matrix miteinander verschnitten wurden.

Um die Anerkennung verschiedener Lebensrealitäten auszudifferenzieren, wird mit dem Persona-Ansatz gearbeitet. In einer Persona sind bestimmte Eigenschaften kombiniert, die Mobilitätsoptionen und -entscheidungen sowie Aktivitätsketten beeinflussen und einschränken können. Im Artikel wird eine Systematik für die Entwicklung eigener Personas vorgeschlagen, für die Anwendung können aber auch die bereits von den Autorinnen entwickelten Personas genutzt werden.

Im Artikel wird der Ansatz der Gerechtigkeitsdimensionen und der Personas genauer vorgestellt. Er kann hier heruntergeladen werden.

Außerdem kann das Bewertungswerkzeug einschließlich einer Nutzungsanleitung und Vorschlägen für Personas im Excel-Format auf der Seite des AK Mobilität der ARL heruntergeladen werden (nach unten scrollen).

Die Autorinnen freuen sich über Rückmeldung und ermutigen zur freien Verwendung und Weiterentwicklung.

Publikation

Mark, Laura; Busch-Geertsema, Annika; LeBris, Jessica; Matthes, Gesa; Stark, Kerstin (2023): Ist das gerecht? Eine Bewertungshilfe für lokale Mobilitätsmaßnahmen. In: Internationales Verkehrswesen 75 (4), S. 28–31.

Gutachten: Forschungsstand zu Möglichkeiten, Herausforderungen und Grenzen digitaler Beteiligung

Im Rahmen des Standortauswahlgesetzes (StandAG) ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) mit der umfassenden Information und Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Standortauswahlverfahrens zur Suche und Auswahl eines Standortes für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen beauftragt. In diesem Zusammenhang hat das BASE im Februar 2022 ein Gutachten zu den „Möglichkeiten und Grenzen digitaler Beteiligungsinstrumente für die Beteiligung der Öffentlichkeit im Standortauswahlverfahren (DigiBeSt)“ beim Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Kooperation mit dem nexus-Institut Berlin beauftragt. Dafür wurde unter der Leitung von Tobias Escher eine Aufarbeitung des Forschungsstandes und der aktuellen Entwicklungen (Arbeitspaket 2) erstellt, die in einem ausführlichen Bericht zusammengefasst wurden.

Ausgewählte Erkenntnisse aus dem Bericht lauten:

  • Soziale Ungleichheiten in der digitalen Beteiligung beruhen v. a. auf dem
    Second-Level Digital Divide, d.h. in Unterschieden in den medien- und inhaltsbezogenen Kompetenzen, die für die selbstständige und konstruktive Nutzung des Internets zur politischen Beteiligung notwendig sind.
  • Das Wissen zu Effektivität von Aktivierungsfaktoren ist nach wie vor oft lückenhaft und anekdotisch, dadurch sind Kosten und Nutzen einzelner Maßnahmen für die Initiator*innen häufig nur schwer abzuschätzen.
  • Zur (zielgruppengerechten) Mobilisierung eignet sich nachweislich die persönliche Einladung, aber auch die etablierten Massenmedien spielen nach wie vor eine wichtige Rolle.
  • Breite und inklusive Beteiligung erfordert die Kombination unterschiedlicher digitaler und analoger Partizipationsformate.
  • Beteiligungsformate auf nationale Ebene stehen aufgrund der Komplexität der Themen und der Größe der Zielgruppe vor besonderen Herausforderungen und erfordern daher kaskadierte Verfahren (Verzahnung von Beteiligung auf unterschiedlichen politischen Ebenen) sowie noch neu zu schaffende Institutionen.

Publikation

Lütters, Stefanie; Escher, Tobias; Soßdorf, Anna; Gerl, Katharina; Haas, Claudia; Bosch, Claudia (2024): Möglichkeiten und Grenzen digitaler Beteiligungsinstrumente für die Beteiligung der Öffentlichkeit im Standortauswahlverfahren (DigiBeSt). Hg. v. Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie und nexus Institut. Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Berlin (BASE-RESFOR 026/24). Online verfügbar unter https://www.base.bund.de/DE/themen/fa/sozio/projekte-ende/projekte-ende.html .

3. Praxisworkshop zu ersten Ergebnissen aus den Befragungen in Projektkommunen

Am 30. November haben wir Vertreter*innen der mit uns kooperierenden Kommunen eingeladen, um uns mit diesen über die ersten Ergebnisse aus den umfangreichen Befragungen unserer Forschungsgruppe auszutauschen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie die jeweiligen Beteiligungsverfahren von den Teilnehmenden eingeschätzt werden, und welche Aspekte zur Teilnahme motivieren, oder davon abhalten.

Trotz der Verschiedenheit der von uns untersuchten fünf Projekte (und der bislang z.T. noch geringen Zahl der Teilnehmenden) weisen die Einschätzungen der an solchen Prozessen partizipierenden Personen relativ große Übereinstimmungen auf. Insgesamt zeigen sich eher positive Bewertungen für die Beteiligungsverfahren im Hinblick auf den Diskussionsverlauf und die Transparenz. Gleichzeitig gibt es aber auch in allen Verfahren vergleichbare Herausforderungen. So wird z.B. die Repräsentation der eigenen Interessen als relativ gut bewertet, es werden aber Lücken in der Repräsentation anderer Meinungen wahrgenommen. Auch gelingt nicht immer ein Ausgleich der Interessen. Darüber hinaus sind die Teilnehmenden eher skeptisch, was die tatsächlichen Wirkung der Beteiligungsergebnisse auf den politischen Prozess angeht, wenn sie diese auch nicht ausschließen.

Einschätzung des von den Teilnehmenden besuchten Beteiligungsformats.
N=286 (Altona: 61, Marburg: 22, Offenburg: 40, Ottensen: 158, Wuppertal: 5)

Interessante Unterschiede zeigen sich auch zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden. Beispielhaft zeigt die untenstehende Auswertung die Anworten auf die Frage danach, wie der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen sollte. In der Regel befürworten Personen, die am Beteiligungsverfahren teilgenommen haben (T) grundsätzlich eher eine Umgestaltung zur Förderung von Fahrrad- und Fußverkehr als die Personen, die sich nicht an diesen Verfahren beteiligt haben (nT). So finden sich also unter den Teilnehmenden eher Befürworter*innen der Verkehrswende. Allerdings zeigen sich auch hier durchaus Unterschiede zwischen den Verfahren, die darauf hindeuten, dass die Motive sich einzubringen durchaus sehr verschieden ausfallen können – ein Aspekt, den wir in den zukünftigen Analysen weiter verfolgen werden.

Frage: Wie soll der Verkehr in der jeweiligen Kommune in fünf Jahren aussehen?
Dargestellt nach teilgenommen (T) oder nicht teilgenommen (nT) am Partizipationsverfahren
N=1.587 (Altona: 432, Marburg: 417, Offenburg: 254, Ottensen: 342, Wuppertal: 142)

Der Praxisworkshop hatte das Ziel, diese ersten Befunde gemeinsam zu reflektieren, gerade auch im Vergleich des jeweils „eigenen“ Verfahrens mit den Ergebnissen aus den anderen untersuchten Kommunen. Dieser Austausch hat uns wichtige Hinweise auf mögliche Zusammenhänge geliefert und verdeutlicht, wo weiterer Klärungsbedarf besteht.

Die dargestellten Beispiele sind ein erster Einblick in die große Fülle an Daten, die mit Hilfe der Befragungen gesammelt wurden und die im Jahr 2023 noch erweitert werden wird (siehe Hintergrund unten). Der gemeinsame Austausch mit den kommunalen Partner*innen hatte daher auch den Zweck, genauer zu klären, welche Informationen für die kommunale Beteiligungspraxis relevant sind, und in welchen Formaten die gemeinsamen Diskussionen am sinnvollsten fortgeführt werden können.

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Partner*innen für Ihre Zeit und Ihre Ideen!

Zum Hintergrund

Im Rahmen unserer Forschung interessieren wir uns insbesondere dafür, welche Rolle Bürger*innenbeteiligung beim Gelingen der Verkehrswende spielen kann. Dafür untersuchen wir unter anderem fünf verschiedene Beteiligungsverfahren:

Für jedes Projekt wurde von uns ein umfangreiches Programm an Befragungen durchgeführt. Dafür haben wir zum einen eine Zufallsauswahl aus der gemeldeten Bevölkerung mit einem Fragebogen angeschrieben. Zum anderen wurden von uns im Rahmen der verschiedenen Beteiligungsformate Teilnehmer*innen befragt. Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die Befragungszeiträume einschließlich der Ausschöpfungsquoten der von uns durchgeführten Bevölkerungsbefragungen. Insgesamt wurden bislang rund 1.600 Personen befragt, von denen rund 300 an einem der untersuchten Beteiligungsverfahren teilgenommen haben.

Übersicht über durchgeführte Befragungen von Bevölkerung und Teilnehmenden (Prozentwerte geben Rücklaufquoten der Bevölkerungsbefragung wieder)

2. Praxisworkshop zur automatisierten Auswertung von Beteiligungsbeiträgen

Am vergangenen Freitag haben wir im Rahmen unseres 2. Praxisworkshops erste Ergebnisse zu unseren aktuellen Arbeiten zur automatisierten Auswertung von Beteiligungsbeiträgen vorgestellt. Insgesamt hatten wir 12 Teilnehmende, die in verschiedenen Rollen (Stadtplanung, Bürger*innenbeteiligung, Dienstleistung als Planende oder für Partizipation) mit der Auswertung von Beteiligungsbeiträgen Erfahrung haben.

Zu Beginn haben wir einen Ansatz vorgestellt, um einzelne Sätze in Beteiligungsbeiträgen als Vorschlag oder Zustandsbeschreibung (beziehungsweise beides oder nichts davon) zu klassifizieren. Das funktioniert in der Praxis auch automatisiert schon ziemlich gut, wie auch unserer Veröffentlichung in den Proceedings of the 8th Workshop on Argument Mining zu entnehmen ist.

Beispiel für die Kategorisierung eines Beitrages in Sätze mit Vorschlag oder Zustandsbeschreibung: links die automatisierte Klassifikation, rechts die manuelle Kodierung. Auch wenn das Modell noch Fehler macht, ist die Zuverlässigkeit insgesamt schon sehr hoch.

Die Expertinnen und Experten konnten die Zuordnung in der Regel nachvollziehen, allerdings trifft es nur teilweise den Bedarf in der Beteiligungspraxis. So lassen sich aus Beschreibungen von Situationen vor Ort in der Regel auch häufig Vorschläge ableiten, bzw. aus Vorschlägen auch Einschätzungen der Situation vor Ort. Hier würde zunächst einmal vor allem eine Hervorhebung von solchen inhaltlich relevanten Sätzen (im Gegensatz zu allgemeinen Informationen im Beitrag) weiterhelfen, um eine Konzentration auf das Wesentliche zu ermöglichen. Auch wäre eine Unterscheidung in konkrete Vorschläge vs. allgemeine Forderungen oder Kritik an bestehenden Verhältnissen denkbar.

Eine von allem geteilte Feststellung war, dass der Auswertungsprozess immer das Lesen und Abwägen jedes einzelnen Beitrags durch die Verantwortlichen erfordert, nicht zuletzt um sicherzustellen, dass alle Beiträge gleich und fair behandelt werden. Während eine Vorsortierung oder eine Priorisierung wichtig ist, um die Bearbeitung durch die Verantwortlichen zu erleichtern, darf ein Algorithmus nie die finale Entscheidung über die aus einem Beitrag erwachsenden Konsequenzen haben. So ist auch sichergestellt, dass mögliche Fehlzuordnungen im Rahmen der automatisierten Klassifikation erkannt werden und die Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar bleiben.

Als Folge dieser grundlegenden Feststellung muss eine Automatisierung also vor allem darauf angelegt sein, die mit der Auswertung betrauten Personen in ihrer praktischen Arbeit zu unterstützen. Die Teilnehmenden des Workshops haben dabei vor allem die Rolle der thematischen Klassifikation von Beiträgen betont. Im Kontext der Verfahren im Fokus von CIMT, erfordert das hier vor allem die Zuordnung von Beiträgen zu verkehrsrelevanten Kategorien. Dabei gilt es zwischen generischen und prozess-spezifischen Kategorien zu unterscheiden. Einerseits gibt es eine ganze Reihe von Themen, die für alle Beteiligungsverfahren mit einem Mobilitätsfokus relevant sind. Dazu zählt die Erkennung von Verkehrsmitteln oder bestimmten verkehrsrelevanten Themen, z.B. Verkehrssicherheit oder Mobilitätsmanagement. Diese eignen sich insbesondere für Verfahren, die überwachtes Lernen anwenden, da die Erkennung vorab (auch auf anderen, vergleichbaren Datensätzen) trainiert werden kann. Im Gegensatz dazu haben viele der Beteiligungsverfahren aber auch immer spezielle Themen, die nicht vorab feststehen, sondern sich erst in der konkreten Beteiligung ergeben. Hier müsste dann gegebenenfalls auf nicht-überwachte Verfahren zurückgegriffen werden, die dann nach Abschluss eines Verfahrens die Menge der Beiträge nach Ähnlichkeiten (z.B. in der Wortverteilung) analysieren und clustern.

Zusätzliche inhaltliche Klassifikationen, die im Rahmen des Workshops vorgeschlagen wurden, umfassten:

  • die Verortung von Vorschlägen (an der wir auch schon arbeiten)
  • die Erkennung von Vorschlägen, die rasches Handeln erfordern (z.B. Hinweis auf akute Gefahrenstellen)
  • Unterscheidung der Konkretheit von Vorschlägen (an der wir auch schon arbeiten)

Darüber hinaus wollten wir von den Workshopteilnehmenden wissen, in welcher Form eine solche Automatisierung dann auch den Auswertungsprozess sinnvoll unterstützen kann. Dazu haben wir einige mögliche Vorschläge für die Visualisierung der durch die Modelle vorgenommenen Klassifikationen gezeigt.

Beispielhafte Visualisierung der Funktionalität einer möglichen Softwareanwendung, die zu einem Beitrag thematisch ähnliche Beiträge anzeigt und eine weitere Filterung (z.B. nach räumlicher Nähe) erlaubt.

Hier war eine deutliche Präferenz für die Möglichkeit, gleichzeitige mehrere Themenschwerpunkte auswählen und visualisieren zu können (Anzeige von Schnittmengen). Um die auf Natural Language Processing basierenden Modelle in der Praxis auch anwendbar zu machen, bedarf es darüber hinaus einer geeigneten Softwarelösung, für die noch weitere Anregungen gemacht wurden:

  • die Visualisierung der klassifizierten Beiträge, z.B. eine Übersicht über alle Beiträge einer Kategorie
  • Möglichkeit der manuellen Nachkodierung von Beiträgen zulassen
  • Ausgabe von Überblickstatistiken über alle Beiträge eines Verfahrens (z.B. Anzahl der Vorschläge in einer bestimmten Kategorie)
  • Angabe eines Zuverlässigkeitswerts als Indikator dafür, wie „sicher“ sich der Algorithmus bei der Zuordnung ist
  • weitergehende Informationen zu Beiträgen erfassbar machen, z.B.
    • gelesen/ungelesen
    • Bearbeitungsstatus
    • Verantwortlichkeiten

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden für die Zeit und den wichtigen Input. Insgesamt konnten wir damit wertvolle Erkenntnisse für die weitere Entwicklung von Analysewerkzeugen gewinnen. Einige davon befinden sich aktuell bereits ohnehin in der Entwicklung (z.B. die Erkennung von Verortungen oder die thematische Kodierung). Wir sind zuversichtlich, dazu bald weitere Ergebnisse zu präsentieren und damit einen weiteren Schritt zu machen, um die Verantwortlichen in der Beteiligungspraxis gezielt bei der Auswertung zu unterstützen.